Schwarze Schafe in Venedig
ertragen. Den höllischen Schmerz. Mit dem Haken hielt ich das Schloss geöffnet und hebelte mit dem Schraubenzieher die Tür auf. Und nach vielem Schaben und Quietschen und Glitschen schwang mir die Tür schließlich mit einem schlürfenden Sauggeräusch entgegen.
Der Schraubenzieher fiel klappernd zu Boden, und ich klemmte die schmerzschreienden Finger in die Achselhöhle und stampfte mit den Füßen auf. Dann riss ich mich zusammen, betrat den mit Teppichboden ausgelegten Korridor und versuchte, auf dem Wasser zu gehen.
Fünfunddreißig
Seit meinem letzten Besuch war das Wasser noch weiter gestiegen. Inzwischen ging es mir bis über den Rand der Schuhe und durchweichte augenblicklich meine Socken und den Saum der geborgten Smokinghose. Die Kälte kroch an meinen Beinen empor, und meine Wadenmuskeln verkrampften. Tapfer watete ich weiter, wobei ich versuchte, möglichst wenig Lärm zu machen, steif und verhalten, als steckte ich in einem Tiefseetauchanzug. Es roch feucht und muffig wie in einer Höhle tief unter dem Meer.
Ganz kurz knipste ich die Taschenlampe an. Das Licht tanzte über die Wasseroberfläche und blitzte die nackten Wände darüber an. Die behandschuhten Hände ausgestreckt tastete ich mich behutsam voran, wobei ich kleine Bugwellen schlug, bis meine Fingerspitzen eine Backsteinwand streiften. Ich lauschte kurz, und als ich mich vergewissert hatte, dass ich allein war, schaltete ich abermals die Stiftlampe ein. Dicke, schwere Tropfen klatschten mir aus einem Rohr auf den Kopf und fielen mit einem lauten Platsch in das sich kräuselnde Wasser. Vorsichtig betastete ich eine der mit Segeltuchplanen abgedeckten Kisten neben mir. Der Karton war aufgeweicht und bröselig wie faules Holz. Als ich die Hand wegzog, blieb die Pappe kleben und pappte an meinem Handschuh wie Konfetti.
Mit der Taschenlampe leuchtete ich in den Karton hinein und sah nichts als Papierstapel. Ich probierte es bei einem der anderen Kartons. Genau dasselbe. Das Papier war sicher nicht mehr zu gebrauchen – bestimmt war es ebenso durchweicht wie die Kartons –, weshalb ich keine weitere Zeit damit verschwendete.
Ich ging weiter, und langsam ging das Wasser zurück, sodass schließlich sogar die lederne Oberseite meiner Schuhe aus den Fluten auftauchte. Ich patschte zur einen Seite des Raums, während der vollgesogene Teppich unter meinen Füßen schlotzte, und öffnete die unauffällige Tür zum Laden.
Augenblicklich schlug mir ein starkes Raucharoma entgegen, so durchdringend, dass ich mich erschrocken umsah und fast erwartete, den Ladeninhaber irgendwo im Dunkeln sitzen zu sehen. Aber er war nicht da, bloß seine Pfeife lag im Aschenbecher auf dem Schreibtisch. Ich befühlte den Pfeifenkopf – wenn man einen Stapel Krimis geschrieben hat, bleiben gewisse Dinge einfach hängen – und spürte einen Hauch Restwärme. Das erklärte wohl den Geruch.
Schien, als hätte er Überstunden gemacht. Im Schein meiner Taschenlampe war ein ledergebundenes Buch auf dem Schreibtisch zu sehen, darauf Nadel und Faden. Ich klappte den Deckel auf. Irgendwas Italienisches. Jedenfalls nicht mein Buch.
Der Safe war fest verschlossen, dennoch ging ich in die Hocke, die Stiftlampe zwischen die Zähne geklemmt, und fummelte am Schloss herum, bis die Tür aufsprang. Aber drinnen war nichts Neues zu entdecken. Also die Türe wieder verschlossen und verriegelt, dann richtete ich mich auf und fuhr mit dem Finger an den Bücherregalen entlang und stöberte in den Schreibtischschubladen herum. Auch da kein Finderglück. Seufzend überlegte ich, mir ein paar der teureren Exemplare in die Manteltaschen zu stopfen, ließ es aber dann lieber bleiben. Der Einband war zwar aufwendig und von beeindruckender handwerklich Qualität, aber ich befürchtete, außerhalb Venedigs würde es rasant an Wert einbüßen, und außerdem wollte ich es nicht riskieren, dass mir eins der Bücher aus der Manteltasche fiel, wenn ich mich nach oben schlich.
Was ich gerade tun wollte, als mein Blick zufälligerweise auf die Papier- und Schreibwarenabteilung auf der anderen Seite des Ladens fiel. Irgendwas lag da auf dem Boden, das nicht dorthin gehörte. War es ein Buch? Ein kleiner Karton? Die Größe stimmte jedenfalls ungefähr.
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, in der Dunkelheit zu erkennen, was es war, bis ich schließlich aufgab und mit der Taschenlampe hinleuchtete.
Dreck. Könnte mir bitte jemand erklären, warum ich so etwas Dämliches tun musste?
Das
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