Schwarze Schmetterlinge
der Rollstuhl auf das Wasser zu, und zwar mit Absicht, ihre Hände drehten die Räder. Es ging so schnell. Ich sah es und rannte so schnell ich konnte, konnte aber nicht verhindern, dass der Rollstuhl mit ihr ins Wasser fiel. Ich sprang in den Fluss und zog sie an die Wasseroberfläche. Das hätte übel ausgehen können. Sie klammerte sich fest und drückte mich unter Wasser. Immer wenn mein Kopf über Wasser war, schrie ich. Irgendjemand hat uns gehört. Mit vereinter Hilfe konnten wir die Frau ans Ufer ziehen. Sie hatte aufgehört zu atmen. Ich fühlte keinen Puls, also fing ich mit den Wiederbelebungsversuchen an. Als der Notarzt kam, war sie bei vollem Bewusstsein. Sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen, weil sie keine Belastung für ihren Mann sein wollte. Die ganze Sache hat letztlich ihrem Eheleben neuen Schwung verliehen. Es ist doch erstaunlich, dass das Leben manchmal erst in der Nähe des Todes wirklich lebendig wird. Er nahm sich Urlaub, und sie reisten an die Orte, die sie schon immer hatte sehen wollen. Ich wurde wie eine Tochter für sie, und sie wurden die Eltern, die ich gern gehabt hätte. Manchmal leihe ich mir ihren Zweitwagen, einen BMW. Die Frau sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl und fährt nicht mehr selbst.«
»Was für ein Glück, dass du in der Nähe warst, sonst hätte sie keine Chance gehabt.«
Plaudernd gingen sie am Fluss entlang in Richtung des Freilichtmuseums Wadköping. Die Luft war hell und klar, und der Himmel über ihnen wie ein unendliches blaues Meer, in dem die Gänse in ständig veränderten Formationen auf wärmere Länder zusegelten. Vom Spielplatz hörte man fröhliches Lachen. Felicia schob ihre Hand unter seinen Arm. Er passte seinen Schritt an und wünschte, dieser Spaziergang würde ewig währen. Und er dankte seinem glücklichen Stern, dass er vorausschauend genug gewesen war, sich den Nachmittag freizunehmen.
Sie spazierten an den kleinen Buden in Wadköping entlang und fühlten sich, als wären sie im Urlaub. In der alten Bäckerei kauften sie sich ein paar Blaubeermuffins und im Krämerladen Karamellbonbons. Als sie wieder in die Sonne traten, zeigte Arvidsson auf ein zweistöckiges Gebäude aus dem 17. Jahrhundert.
»Schau mal, da ist die Königshütte, wo König Karl IX. mal übernachtet haben soll. Dort gibt es eine Wandmalerei, die ich mir gern ansehen würde. Eine Gerichtsszene. Komm!«
Sie lachte über seinen Eifer und folgte ihm. Es dauerte eine Weile, bis ihre Augen sich an das Dunkel im Haus gewöhnt hatten. Schließlich standen sie vor der Wandmalerei. Er hätte Felicia am liebsten in den Arm genommen und geküsst, aber der Mut wollte sich auch jetzt nicht einfinden.
»Ich habe mir die lateinischen Begriffe auf der Wandmalerei übersetzen lassen«, sagte Per. »Soll ich dir das Bild erklären?« Felicia nickte, und er stellte sich schräg hinter sie, um sie berühren zu können. Vorsichtig legte er einen Arm um ihre Schulter. Wenn sie das nicht wollte, musste sie nur einen halben Schritt nach vorn treten. Aber sie blieb. Es war bitterkalt. Er vergrub die Nase in ihrem Haar. »Der Mann in der Mitte mit der Krone und dem Schwert in der Hand ist der Richter. Die beiden jungen Frauen zu seiner Seite, die ihm ins Ohr flüstern, sind die Dummheit und das Misstrauen. Sie tragen den Thronhimmel über seinem Kopf. Zu seinen Füßen liegen ein Hund, ein Hahn und eine Schlange. Sie symbolisieren die Tugenden, die ein Richter haben sollte: Maß, Wachsamkeit und Vorausschau. In der Hand hält er etwas, das wie Zaumzeug aussieht. Es könnte ein Symbol für die Selbstbeherrschung sein, vielleicht aber ist es nur die missratene Darstellung einer Waage. Links siehst du zwei gut gekleidete Frauen, die Reue in der Nonnentracht und die Wahrheit in kostbaren Kleidern mit dem Zepter in der Hand. Das sind die Verteidiger. Rechts eine andere Ansammlung von Damen: die Seite der Ankläger. Der Hochmut, der den Unglücklichen, einen Jungen in Armenkleidern, vor den Richter zerrt. Rechts von ihm befinden sich zwei Frauen, auch sie in einfachen Kleidern, vielleicht die Dienerinnen des Hochmuts. Der Betrug, der den Angeklagten mit einer Bürste anschwärzt, und die Falschheit, die ihn mit Schmutz bewirft. Sieh mal da, zwischen den beiden Gruppen läuft ein nackter Junge. Das ist die Verleumdung.«
»Die Ornamentik am äußeren Rand finde ich interessant, eine reiche Bildersprache, von der wir vermutlich nicht mal die Hälfte verstehen. Die
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