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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Madame Elaine anzurufen, wie ein pochendes Verlangen in ihren Fingern gesteckt. Auf eine erstaunliche Weise hatte die Gegenwart des Mediums den Bildern, die Pyret heraufbeschwören konnte, Klarheit verliehen, und die Deutungen waren leichter geworden. Eine wichtige Entdeckung.
     
    Pyret hatte ihre Karten zusammengeräumt, den Hörer abgenommen und dann wieder aufgelegt. Sie wollte zwar an der Fähigkeit des Mediums teilhaben, in die Zukunft zu schauen, wäre aber am liebsten der eindringlichen Schärfe in den braunen Augen ausgewichen. Nach dem Treffen von Angesicht zu Angesicht war Madame Elaine gar nicht mehr so angenehm anonym wie zu Beginn ihrer Bekanntschaft. Außerdem war ihr Verhalten unklar und nachgiebig gewesen. Sie tragen selbst die Verantwortung für Ihre Entscheidungen, hatte sie gesagt. In den Karten sehe ich die Voraussetzungen, aber die Entscheidungen treffen Sie selbst. Bezahlt man nicht gerade dafür, die Last der Verantwortung ablegen zu können?
     
    Es musste noch andere Tarot-Kartenlegerinnen geben, an die man sich wenden konnte. Pyret griff nach einem Stapel Illustrierter und setzte sich an den Küchentisch, um die Anzeigen zu lesen. Grabsteine – direkt vom Hersteller. Kaufe Zahngold. Frei von Schmerzen ohne Medizin – mit dem neuen Schallwellengerät erfahren Sie schnelle und effektive Schmerzlinderung. Liebe – was empfindet er für Sie? Rufen Sie an, und fragen Sie eines unserer erfahrenen Medien. Was für ein Unsinn! Schließlich fand Pyret die einzige interessante Anzeige in der mittleren Spalte der letzten Seite und kreiste sie mit einem roten Filzstift ein: Ich sehe Ihre Zukunft und Ihre Vergangenheit. Rufen Sie kostenlos an, um sich zu informieren. Sprechstunde zu Hause und in meditativer Atmosphäre. Bella.
     
    Eine normale Telefonnummer. Örebro, wie praktisch. Sie machten einen Termin aus, noch am selben Abend um halb neun, achthundert Kronen für eine einstündige Séance. Wenn sie so viel Geld nehmen konnte, war Bella wahrscheinlich sehr gefragt.
     
     
    Während sie darauf wartete, dass es halb neun werden würde, ging Pyret langsam die Drottninggatan hinunter und sah sich die Schaufenster an. Die Luft war eiskalt. Als sie sich der Brücke zum Schloss näherte, blies der Wind schneidend durch ihre Kleidung. Pyret blieb mitten auf der Brücke stehen und sah das schwarze Wasser im Wallgraben gurgelnd die herabgefallenen Blätter mitreißen, auf seinem Weg hinunter zur Mühlenbrücke und der Kanzleibrücke, deren Konstrukteur sich auf dem Dachboden des Schlosses erhängt hatte, weil er fürchtete, seine Brücke würde nicht halten.
     
    Vor dem Nöjeskrogen versammelten sich schick gekleidete Menschen und redeten und lachten. Pyret kam an einem Zeitungskiosk vorbei. Die Schlagzeilen über den Brand im Universitätskrankenhaus waren inzwischen durch andere Schlagzeilen ersetzt worden, die von Prominenten und vom niederschmetternden Ergebnis der schwedischen Damen-Fußballmannschaft im Finale gegen Deutschland handelten. Ein Schiedsrichterskandal. Einen kleinen Augenblick konnte man sich im Zeitungskiosk aufwärmen, ehe jemand fragte, ob man einen Wunsch hätte. Mit einem vagen Schuldgefühl kaufte sie eine Schachtel Zigaretten, gelobte sich selbst, dass es die letzten seien, und ging dann weiter zur Nikolaikirche.
     
    Die Kirche war nicht verschlossen, wie sie vermutet hatte. Da drinnen gab es Wärme, Musik strömte ihr entgegen, Orgel und Gesang schoben sie durch die Tür. Auf der linken Seite stand eine Kiste mit Sand, und im Sand brannte ein Meer von weißen Kerzen. Sie blieb stehen und schaute sie verwundert an. So viel Fürsorge – reine, weiße Gedanken des Wohlwollens und gute Wünsche, Gedanken der Liebe und Gedanken der Trauer, die im Sand brannten. Das war schön. Im Luftzug von der Tür tanzten die Flammen. Das Feuer füllte ihren Blick ganz aus, sättigte ihn mit Licht und Leben. Wenn sie es nur wagte, eine Kerze zu nehmen und sie anzuzünden. Eine Kerze, verbunden mit einem Gebet an den Ewigen: Lass niemanden mein Ich nehmen und meine Gedanken vertauschen, sodass ich ausgelöscht werde.
     
    Und eine Stimmte hallte unter dem Gewölbe wider und antwortete ihr: »Wenn ich mit Menschen-und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte und hätte die Liebe

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