Schwarze Schmetterlinge
sich auf dem Felsen mitten zwischen den Wasserfällen nieder. Die Sonne spielte durch die Äste der Bäume. Der weiße Wasserschaum lag wie Zuckerwatte an den Außenrändern des Falls. Pernilla holte Kaffee und Brote heraus.
»Koffeinfrei«, sagte sie. »Seit du hier bist, beginne ich mich an Sachen aus meiner frühen Kindheit zu erinnern. Kleinigkeiten, von denen ich gar nichts mehr wusste. Als ich acht Jahre alt war, sind wir nach Örebro gezogen. Und einmal, kurz bevor entschieden wurde, dass ich zu meiner neuen Pflegefamilie sollte, sah ich dich auf einem Spielplatz. Du hast zusammen mit einem kleinen Mädchen mit Rattenschwänzen und einem hellblauen Kleid auf einer Schaukel gesessen. Du hattest eine bunte Kappe auf, mit einem kleinen Propeller obendrauf.«
»An die Kappe kann ich mich erinnern. Folke hatte sie mir in Frankfurt gekauft.«
»Ich war so glücklich, dich zu sehen. Du warst mein kleiner Bruder, gehörtest nur mir, und niemand durfte dich mir wegnehmen. Ich rannte los, rutschte aber auf dem Asphalt aus und schürfte mir die Knie und das Kinn auf. Als ich wieder aufstehen wollte, stand deine Adoptivmutter da. Sie packte mich hart am Arm und sagte, dass ich dich in Ruhe lassen solle. Ich schrie wie verrückt, aber du hast mich nicht gesehen. Du hast einfach immer weiter mit dem Mädchen geschaukelt und gelacht, und ich hasste sie und deine Mutter derart, dass ich sie auf der Stelle hätte umbringen können. Dann hat deine Mutter dich ins Auto geschoben. Ich rannte hinterher. Rannte so lange ich konnte neben dem Auto her und versuchte, die Autotür an der Seite, wo du saßest, aufzumachen. Kannst du dich daran erinnern?«
»Nein, tut mir leid. Jedenfalls im Moment nicht.«
»Als ich siebzehn war, zogen meine damaligen Pflegeeltern nach Wien. Ich wollte nicht als unbezahltes Au-pair-Mädchen mitgehen. Das gab natürlich ein Wahnsinnstheater. Das Jugendamt wurde eingeschaltet. Ich durfte bei Svennes Familie wohnen. Ich war schon damals mit ihm zusammen. Wir haben im Lauf der Jahre natürlich ein paar Mal Schluss gemacht und waren dann wieder zusammen, aber im Grunde genommen gibt es da doch das Gefühl, dass wir zusammengehören.«
»Ich wollte dich gerade fragen. Wie geht es euch miteinander?« Per warf einen Stein über den Felsrand und hörte durch den Vogelgesang einen plumpsenden Laut. Es wurde ganz still. Nur noch das Rauschen des Wassers war zu hören.
»Wir halten zusammen.« Pernilla kniff ihn ein wenig in die Wange, und er konnte nicht umhin zu erzählen, wie wunderbar Felicia sei, was sie gesagt habe, was sie getan habe, was er gedacht habe. Und als er erst einmal angefangen hatte, strömten die Worte nur so aus ihm heraus. Pernilla lachte.
»Man muss sich wie ein Gott fühlen, wenn man von dem einzigen perfekten Menschen der Welt geliebt wird. Da bin ich doch ein wenig neidisch.« Sie saßen eine Weile nebeneinander, ohne etwas zu sagen. »Wohnt ihr eigentlich zusammen?«
»Das hat sich mehr oder weniger so ergeben.«
Stück für Stück hatten sich unbekannte weibliche Gegenstände in der Wohnung angesammelt. Er behandelte sie wie die Relikte von Heiligen. Die Körperlotion, die nach Felicia roch, die nach Liebe roch, ihr Duft im Bettzeug. Der seidene Morgenmantel, die Kuhle im Kissen von ihrem Kopf. Ein paar CDs. Wenn man mit dem Menschen, den man liebt, gemeinsam Musik hört, dann bekommt das eine andere Intensität und Bedeutung.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe? Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Pernilla.
»Entschuldige. Ich war wohl nicht ganz …«
»… zurechnungsfähig. Wo wohnt sie denn, ich meine sonst, wenn sie nicht bei dir wohnt?«
»In einer der Wohnungen am Fluss, glaube ich.«
»Glaubst du? Warst du noch nie dort? Sag mal, Per, was weißt du eigentlich von ihr?« Pernilla hatte plötzlich wieder diese Falte zwischen den Augen. »Ich finde, man sollte am Anfang, wenn man sich gerade erst kennengelernt hat, ein wenig vorsichtig sein. Nicht zu forsch. Es ist doch gut, wenn man irgendwas schriftlich hat, ehe man zusammenzieht.«
Er verspürte wachsenden Ärger. Musste er sich das antun?
»Ich liebe sie. Wenn du etwas weißt, was ich nicht weiß, dann spuck es jetzt aus. Ansonsten will ich keine weiteren Beschuldigungen hören. Wir sind erwachsene Menschen, Pernilla. Ich weiß, was ich tue.«
»Das klang nach der Nacht mit der Blaubeermütze aber nicht so! Hieß sie nicht
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