Schwarze Schmetterlinge
Blaubeermütze auf ihn warten würde, beleidigt oder siegesgewiss. Er wusste nicht, was schlimmer wäre. Punkt ein Uhr sah er Felicia quer über die Straße kommen, nachdem sie ihr Fahrrad abgestellt hatte. Die Haare wirbelten im Wind, wurden zur Seite geworfen und fielen dann über ihre Schultern. Sie winkte, und das Gefühl der Zusammengehörigkeit floss durch den Raum auf ihn zu.
Als sie ihm dann gegenübersaß, wünschte er sich, dass sie allein wären und unter ein dickes Daunenpolster kriechen könnten, um einander wieder und wieder zu entdecken, jedes Muttermal, jede kleine Narbe. Die Lust machte ihn träge im Kopf und schwindelig. Er strich mit dem Zeigefinger über ihren Mund, über die Narbe unter der Nase. Sie hielt die Hand vor ihren Mund, sprach aber weiter von der Arbeit, von den Patienten, die dem Rauch ausgesetzt gewesen waren, jetzt aber außer Gefahr waren. Sie erzählte, dass im Krankenhaus eine erstaunliche Ruhe herrschte, eine ungewöhnliche Einigkeit und ein Gemeinschaftsgefühl. Alle redeten mit allen über das Schreckliche, das geschehen war. Leute, die einander sonst kaum gegrüßt hatten, gingen jetzt zusammen in die Kantine und sprachen miteinander, als würden sie sich schon ewig kennen. Nachts halfen sich die Stationen untereinander aus, um die Mitarbeiter zu verteilen, damit niemand eine Schicht allein machen musste. Die Bewachung des Krankenhauses durch die Wachgesellschaft war verstärkt worden.
»So schlimm Katastrophen auch sind, haben sie doch immer etwas, was die Leute stärker miteinander verbindet«, meinte sie. »Aus dem Bösen kommt etwas Gutes. Wir sehen, wie verletzlich wir ohne einander sind.« Felicia sah auf die Uhr. »Ich muss zurück. Wir sehen uns heute Nacht.« Sie küsste ihre äußersten Fingerspitzen und blies ihm den Kuss zu.
Er stand auf und begleitete sie zum Fahrradständer. Wärmte ihre Hände in seinen und wollte sie am liebsten gar nicht loslassen. Sie lachte über ihn, ein freundliches Lachen, knöpfte seine Jacke zu und wickelte mit zärtlichen Bewegungen den Schal um seinen Hals.
Von Bella war nichts zu sehen. Vielleicht hatte sie die beiden durch das Fenster gesehen und dann von dem Treffen Abstand genommen. Per Arvidsson beschloss, nicht mehr an die Sache zu denken. Was konnte er auch anderes tun?
Svenne und Pernilla warteten vorm Nöjeskrogen. Svenne trug ein weißes Hemd und einen Schlips und sah völlig anders aus als sonst, fand Per. Rasiert und sauber und ordentlich. Von der Ehefrau in der Zwangsjacke mitgeschleift. Kaum waren sie an ihrem Tisch direkt an der Bühne, da legte er auch schon den Schlips ab und knöpfte das Hemd auf. Dann noch einen großen Schluck Bier, und er fühlte sich wieder wie ein Mensch.
»Sieh mal, da hinten ist Peter Flack!«, rief er und stieß Per mit dem Ellenbogen in die Seite.
»Nicht mit dem nackten Finger auf angezogene Leute zeigen.« Pernilla fing seinen Arm in der Bewegung ab. »Weißt du eigentlich, wie viele Kalorien so ein Bier hat? Bei deiner sitzenden Tätigkeit brauchst du die nicht. Du wirst nur fett davon. Was hast du denn mit deiner Halskette gemacht? Hast du sie verloren?« Svenne fuhr sich mit der Hand an den Hals und fühlte nach. »Wann hast du sie zuletzt gehabt? Du nimmst sie doch nie ab.«
»Nein.« Er sah sie an und riss die Augen auf, als würde er sich plötzlich an etwas erinnern.
»Weißt du noch, wann du sie zuletzt hattest? Denk mal nach«, ermunterte Pernilla ihn.
»Shit!« Svenne sah der hübschen Bedienung nach, die in einem sehr kurzen weißen Rock und mit tiefem Ausschnitt vorbeitänzelte. Pernilla fasste ihn am Arm. »Hattest du den Thorshammer dabei, als wir von zu Hause losgefahren sind? Hast du ihn vielleicht in der Dusche verloren oder als wir aus dem Auto ausgestiegen sind?«
Svenne kam nicht dazu zu antworten. Auf einmal strömte Musik direkt über seinem Kopf aus den Lautsprechern, und die Bühne füllte sich mit jungen Künstlern, die ihnen schon bald eine Reihe von guten alten Schlagern kombiniert mit witzigen Sketchen präsentieren würden. Arvidsson sang aus vollem Hals mit und stampfte den Takt zu Julia Cæsars Paradenummer »United States of Emörrika«. Die Bedienung, die eben noch bei ihnen am Tisch gewesen war, setzte sich an den Rand der Bühne, fasste Svenne unter das Kinn und sang für ihn und nur für ihn, dass er so küssen würde, wie ein Mann es tut. Sie sah ihm tief in die Augen, bis er rote Flecken im
Weitere Kostenlose Bücher