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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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bekam er richtig Angst. Es bohrte und riss in der Brust. Das Handy fiel zu Boden. Er konnte nicht länger aufrecht stehen. Es gab noch einen Knopf, den man drücken musste. Richtig, nach der Nummer sollte man »Yes« drücken. So war es. Jetzt gab es einen Ton. Besetzt. Er wartete. Durch den Schmerz in der Brust schossen ihm die Tränen in die Augen. Noch nie zuvor hatte er einen derartigen Schmerz erlebt. Er dachte an Gertrud. Gertruds liebevolle Art, ihren weißgelockten Kopf zu schütteln. Nein, wie verrückt das alles ist, würde sie sagen und den Kopf schütteln. Liebevoll – ein ausgezeichnetes Wort, um Gertrud als Person zu beschreiben. Das Licht kam und ging vor seinen Augen. Er versuchte, seine Gedanken bei Gertrud zu halten.
     
    »Notrufzentrale«. Stig Julin riss sich zusammen. Stellte sich ordnungsgemäß vor und beschrieb, wo er sich befand. Der Schmerzensschrei kam aus seiner eigenen Kehle. Er hörte es, und im selben Moment zerbarst etwas und wurde zu einem roten Nebel, einer Dunkelheit, in der der Schmerz seine Kraft verlor.
     
     
    Gertrud Nilsson sah auf die Uhr. Bald würde er da sein. Sie hatte im Wohnzimmer gedeckt, mit weißem Tischtuch und Vogelbeerenzweigen in einer himmelblauen Vase. Ihre Hände hatten den Stuhl gestreichelt, auf dem er sitzen würde, ihn schon im Vorhinein willkommen geheißen. Hier an meinem Tisch wirst du sitzen. Bei mir.
     
    Ihre Wangen glühten. Sie brauchte nicht in den Spiegel zu sehen, um das zu wissen. Den blauen Rock und die weiße Bluse hatte sie auch auf dem Fest im Gemeindehaus getragen, als sie sich kennengelernt hatten. Sie sah wieder auf die Uhr. Die Zeiger hatten sich kaum bewegt. Im Radio wurde von den schlimmen Mordbränden in Örebro gesprochen. Es kam nie etwas anderes als Elend, das ganze Elend der Welt direkt ins Wohnzimmer. Als ob Glück, Liebe, Freundschaft – all das Gute, das Menschen einander tun – von geringerem Wert wäre. Hatte das Böse so viel Aufmerksamkeit verdient? Wenn die Wirklichkeit so aussah, wie die Medien sie zeichneten, dann würde doch niemand leben können, dachte Gertrud. Aber das Bild in den Medien war falsch, denn ihm fehlte die andere Hälfte. Die gute.
     
    Heute habe ich meine Rente bekommen, das Rentensystem funktioniert. Heute Morgen ist mein Enkel in die Schule gegangen und hat sich darauf gefreut, denn er mag seine Lehrerin und seine Freunde, und er hat gelernt, seine Comics selbst zu lesen. Nachmittags wird er vorbeikommen und tausend neue Dinge zu erzählen haben. Heute Morgen haben sie die Mülltonnen geleert, und gestern kam die Nachbarin mit einem Korb Pfifferlinge vorbei, die schon geputzt waren.
     
    Überall unverdiente Güte, so wie die Liebe. Heute könnte gern auf allen Titelseiten der großen Zeitungen stehen:
82-jähriger Mann macht wegen der Liebe zu Gertrud (84) eine Reise!
Sie ging in die Küche und schob die Gardine beiseite. Jetzt verspätete er sich. Gertrud goss die Kartoffeln ab und schob den Topf mit der Soße von der heißen Platte. Wo blieb er nur? Er würde es sich doch nicht anders überlegt haben oder gar krank geworden sein? Sie hatte ihm ihre Telefonnummer gegeben. Wie dumm, dass sie nicht daran gedacht hatte, sich seine geben zu lassen. Sie goss sich einen kleinen Schwung von dem Wein aus der Flasche, die zum Lüften geöffnet dastand, in eine Kaffeetasse und trank einen Schluck.
     
    Die Minuten wurden zu Stunden. Das Essen wurde kalt. Die Sorge ließ sich wie ein ungebetener Gast am Küchentisch nieder. Jetzt kam schon die Dämmerung. Waren das Schritte da draußen auf dem Kiesweg? Ja, da ging jemand. Jetzt war er bestimmt da. Gertrud beugte sich über die Begonien im Fenster und sah hinaus. Es klingelte an der Tür. Sie nahm die Schürze ab und glättete den Rock. Besah sich bestimmt zum zwanzigsten Mal im Spiegel und sah ihre Augen, die vor Erwartung strahlten. Die Freude blubberte durch den ganzen Körper, rauschte im Blut und gab dem Gesicht neue Farbe. Sie öffnete die Tür.
     
    Draußen wurde sie von zwei fremden, ernsten Personen begrüßt. Ein Mann und eine Frau in Uniform.
     
    »Dürfen wir kurz hereinkommen?« Die Worte, die dann folgten, waren unbegreiflich, wie eine fremde Sprache von Lauten, an die man sich erst gewöhnen muss. Es fiel ihr so schwer, sich dem Unbegreiflichen zu öffnen, nämlich dass diese Worte von ihrer eigenen Wirklichkeit handelten. Das Einzige, was sie ihnen antworten konnte und was sie ständig wiederholte, war: »Wir haben uns geliebt. Wir

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