Schwarze Seide, roter Samt
Playboymädchen kam ihr entgegen, mit
langen, wippenden Plüschohren und lustigem Stummelschwanz.
Marion blieb stehen. »Bitte«, hörte sie sich sagen. »Wo bin ich
hier?«
Das Mädchen musterte sie herablassend. »Haste das noch nicht
gemerkt? An Bord der Maria Luna. O Gott, ist das ein Scheiß-
Schiff. Und eine Scheiß-Party!« Sie schüttelte sich. »Ich kann die
Kerle manchmal nicht mehr ertragen, ehrlich! Einer so besoffen
wie der andere. Wenn mich jetzt noch einer anfaßt, werd ich
hysterisch, das kann ich dir sagen!«
»Kennst du jemanden, der Taleb heißt?« unterbrach Marion den
Redestrom. Die andere grinste. »Klar. Jeder kennt Taleb. Und du
hast dich gerade von ihm bumsen lassen? Wenn er sich seit dem
letzten Mal mit mir seine Form bewahrt hat, muß er verdammt
gut gewesen sein!« Aus irgendeinem Grund vertrug Marion im
Augenblick diesen Ton nicht. »Wie kommst du darauf, daß ich
mit ihm im Bett war?« fragte sie hochmütig.
Miss Playboy grinste noch mehr. »Der Smaragd, den du da um
deinen hübschen Hals baumeln hast, Mäuschen. Talebs Standardgeschenk.
Die Hälfte aller Weiber in Marbella rennt mit dem
Ding herum.«
»Was?«
»Was wirst du denn so blaß? Wolltest du seine Einzige sein?
Gibts denn wirklich noch romantische Seelen auf dieser verkommenen
Welt? Vergiß es, Darling! Hier bist du eine von hundert
Miezen. Und das ist einer von hundert Smaragden! Alles auf
der Welt ist hundertfach, tausendfach, millionenfach, verstehst
du?« Das Mädchen starrte sie tiefsinnig an. »Keine Indivi
Individualität. Alles Scheiße. Das ganze Leben. Oder was von
ihm noch übrig ist
« Mit diesen Worten drehte sie sich um und
lief davon. Marion starrte ihr nach und fühlte sich auf einmal
verletzt und müde. Zu benommen, um über alles nachzudenken,
hatte sie nur noch einen Wunsch: Nach Hause zu gehen und sich
zu verkriechen. Niemanden sehen und nichts mehr hören.
Als sie am oberen Ende der Treppe ankam, stieß sie mit einem
Mann zusammen. Er war klein und dick, ein südländischer Typ
mit einer geradezu schreiend bunten Krawatte und kleinen Brillanten
im Ohr.
Er hielt Marions Arm fest. »Sie sind Marion?« Sein Deutsch
klang hart, war aber fehlerfrei. »Woher
?« Sein Aftershave
machte sie benommen. Das dicke weiße Gesicht verzog sich zu
einem Lächeln. »Woher ich weiß, wer Sie sind? Taleb hat Sie
beschrieben. Die Blonde in dem Lederkostüm. Er schickt mich
zu Ihnen.«
»Er schickt Sie zu mir?«
Das Gesicht war jetzt ganz nah vor ihrem. »Er hat gesagt, du
bist sehr schön. Und ich muß gestehen, er hat recht. So wunderschönes
blondes Haar
die Augen
und Lippen
herrlich!
Taleb sagte auch, du bist wunderbar im Bett. Ein Geschenk für
jeden Mann! Und weil ich sein bester Freund bin, hat er mich zu
dir geschickt, solange das Bett noch warm ist. Komm, Schätzchen!
«
Er nahm ihre Hand. Marion konnte seinen Mund dicht an ihrem
Ohr spüren. »Taleb hat den Anfang gemacht. Und ich werde
dir jetzt die Feinheiten beibringen
«
Kapitel 5
Christian Wagner verließ das Hotel schon in aller Frühe. Er
trug weiße Jeans, Turnschuhe, ein weißes T-Shirt und hatte
eine vollgepackte Segeltuchtasche dabei. Am Abend zuvor hatte
er einen Anruf bekommen: »Christian, alter Junge, laß dich nicht
hängen, sitz nicht ewig in deinem Hotel herum!« Das war die
fröhliche Stimme von Diego gewesen, einem Madrider Geschäftsfreund.
»Ich kreuze mit meiner Yacht gerade vor Marbella,
und ich fände es einfach irre, wenn du ein paar Tage dabei wärest.
Sind ein paar süße Mädels an Bord, und ne ganze Menge
harter Getränke. Na, komm schon, raff dich auf!« Christian
kannte Diegos Yacht. Ein kleines, komfortables Schiffchen, nicht
zu vergleichen mit den Luxuskreuzern, die im Hafen von Puerto
Banus lagen, aber sehr intim und gemütlich. Diego war nicht nur
in der Immobilienbranche als Makler tätig, er besaß außerdem ein
Hotel in Madrid und lernte dort immer neue, meist sehr attraktive
Frauen kennen, die er dann zu seinen Segeltouren mitnahm.
Meistens ging es dann hoch her; Christian erinnerte sich, daß sie
schon die tollsten Parties an Bord gefeiert hatten. Konnte auch
diesmal ganz nett werden.
Als er an die Rezeption kam, stand dort gerade niemand, daher
legte er seinen Schlüssel einfach nur auf den Tisch und ging
weiter. Daß in seinem Fach ein Brief an ihn lag, der ihm in den
Mittagsstunden dieses Tages ausgehändigt werden sollte,
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