Schwarze Sonne
Männer, die Pinsel in der Hand hielten und damit auf sie schossen. Senfgelbe Kugeln näherten sich im Zeitlupentempo der Heckscheibe und zerplatzten dort mit einem leisen Klatschen. Er rief Peter zu, dass er schneller fahren solle, er schrie es. Aber es kamen keine Laute aus seinem Mund. Als wäre er stumm. Und der Wagen kroch die Straße entlang, als würde er durch Watte fahren. Dabei kamen die beiden Männer hinter ihnen immer näher! Auch Peter wurde jetzt nervös und trat wieder und wieder auf das Gaspedal. Aber es tat sich nichts. Das Pedal ließ sich bis zum Anschlag durchtreten, ohne dass der Wagen schneller wurde. Ganz im Gegenteil: er wurde immer noch langsamer. Von den Männern sah man jetzt nur noch die Gesichter in der Heckscheibe, so nah waren sie schon. Der eine hatte gelbe Katzenaugen, der andere weiße, pelzige Haare, in denen schwarze Minischildkröten klebten. Jeden Moment würden sie den Käfer erreichen und ihn dann sicher mit ihren Pinseln anmalen. Plötzlich nahm Justus aus den Augenwinkeln einen roten Schatten wahr. Er war vor dem Auto vorbeigehuscht! Er drehte sich nach vorne. Da! Wieder ein Schatten! Nein, kein Schatten. Es sah aus wie ein … Pferd. Ein rotes Pferd, das sich dort vorne aufbäumte. Und gleich daneben noch eines. Aber sie wieherten nicht, sie … knisterten. Und es wurden immer mehr. Sekündlich kam ein neues dazu. Dann prasselte es hinter ihm. Die Männer!
Justus fuhr aus dem Schlaf und setzte sich abrupt im Bett auf. Heftig atmend starrte er in die Stille des dunklen Zimmers.
»Meine Güte, was habe ich denn da zusammengeträumt? Da war ja wirklich alles –«
Das Zimmer war gar nicht dunkel! Durch das Fenster fiel Licht, mal mehr, mal weniger. In unregelmäßigen Wellen schwappte es ins Zimmer. Aber es war kein helles, weißes Licht, es war rötlich. Rot. Rote Pferde. Und im Zimmer war es auch nicht still. Ein leises Geräusch war von draußen zu hören. Als würde jemand Papier zerknüllen.
»Mein Gott!« Justus riss die Augen auf. »Es brennt!« Mit einem Satz war er aus dem Bett, mit zweien am Fenster. »Nein!«
Die Freiluft-Werkstatt brannte! Der überdachte Bereich in einer Ecke des Schrottplatzes, in dem Justus seine Basteleien und Reparaturen durchführte. Brannte! Flammen schlugen unter dem Dach hervor. Rote, blaue, gelbe Flammenzungen leckten in die Nacht.
»Feuer!« Justus schoss herum und rannte zur Tür. »Feuer!« Er stürzte die Treppe hinab ins Erdgeschoss. »Feuer! Es brennt!«
Die Schlafzimmertür wurde aufgerissen. »Feuer?« Onkel Titus stand mit bebendem Schnurrbart im Türrahmen. »Wo?«
»Die Freiluft-Werkstatt!«
»Oh Gott!« Eine Nachttischlampe flammte auf und Tante Mathilda wühlte sich aus dem Bett. »Wir müssen die Feuerwehr rufen!« Die Bettdecke hinter sich herschleifend, stolperte sie durchs Zimmer.
»Bis die hier ist, brennt der ganze Schrottplatz!« Justus hastete am Schlafzimmer vorbei Richtung Küche.
»Was hast du vor?« Onkel Titus zog sich die Schlafanzughose hoch und stopfte seine Pyjama-Jacke hinein.
»Der Feuerlöscher!« Justus stieß die Tür auf.
»Gute Idee! Neben der Spüle!«
»Ich weiß.« Justus verschwand im Küchendunkel.
Onkel Titus lief zur Haustür. »Ich roll den Gartenschlauch aus.«
»Oh Gott!« Tante Mathilda hatte sich endlich aus der Bettdecke geschält. »Wie war die Nummer?« Sie eilte zum Telefon, das auf einer Anrichte im Gang stand.
»911!«, riefen Justus und sein Onkel fast gleichzeitig.
Tante Mathilda drückte mit zitterndem Finger auf die Neun. »Und die Eins und noch mal – nein!«, rief sie, weil sie in der Aufregung auf die Zwei gedrückt hatte.
»Hab ihn!« Justus riss den Feuerlöscher von der Wand und rannte aus der Küche.
Onkel Titus stand schon vorne an der Tür. »Komm! Beeil dich!«
»Hallo! Schnell! Es brennt!«, hörten sie noch Tante Mathilda ins Telefon schreien, dann waren sie auf dem Hof.
Brandgeruch lag in der Luft. Ein beißender Qualm, der von Südosten herzog. Von dort, wo es hellrot flackerte.
»Das Feuer muss die alten Reifen in der Ecke erwischt haben!« Justus nahm den Feuerlöscher in beide Arme und lief über den knirschenden Kies.
»Lass die Reifen und lösch die Werkbank!«, rief ihm sein Onkel zu. Er hetzte um die Hausecke, wo irgendwo eine Trommel mit einem langen Gartenschlauch stehen musste.
»Wieso?«, japste Justus. Meine Güte, war dieser Feuerlöscher schwer!
»Weil ich da gestern ein paar Kanister mit altem Lösungsmittel hingestellt
Weitere Kostenlose Bücher