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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ausgezehrte Körper, Fieber, Verzweiflung, Kranke, denen sich niemand zu nähern wagte, um sie zu pflegen, Tote, die niemand beerdigte. In wenigen Wochen konnten diese Menschen hier tot sein, ihr Lachen verstummt.
    Sie zwang sich, die Bilder zu vertreiben.
    Â»Ich bewundere Großzügigkeit über alles«, fuhr sie fort. »Wie steht’s mit Ihnen? Ich betrachte sie als höchste christliche Pflicht.« Jetzt war keine Zeit, allzu zimperlich zu sein. Sie fügte als letzte überraschende Wendung hinzu: »Natürlich alles innerhalb der Grenzen, die wir uns leisten können! Das Letzte, was ich möchte, ist, dass Leute glauben, sie müssten mehr geben, als sie sich erlauben können. Das wäre ziemlich unbarmherzig. Schulden zu haben muss sehr bedrückend sein.«
    Der ehrenwerte Barker Soames warf seinem Freund einen flehentlichen, auf Rettung hoffenden Blick zu. Der Freund jedenfalls widmete Margaret inzwischen seine volle Aufmerksamkeit, und er empfand ein gewisses Vergnügen an der Situation.
    Â»Für die Kranken, sagen Sie, Miss Ballinger? An welche spezielle Wohltätigkeitseinrichtung denken Sie? Ich vermute, in Afrika?«, fragte er.
    Â»Nein, hier in London«, antwortete Margaret, jetzt sehr viel vorsichtiger. Sie fand es vollkommen in Ordnung, die Wahrheit ein wenig zurechtzubiegen – die Lage war verzweifelt genug  –, aber sie wollte nicht dabei erwischt werden. »Für junge
Frauen und Kinder in der Gegend um die Farringdon Road. Eine Klinik, die Verletzte behandelt und im Augenblick versucht, vielen, die mit Lungenentzündung darniederliegen, zu essen und ein Dach über dem Kopf zu geben. Sehr freundlich, dass Sie sich so dafür interessieren.« Sie legte so viel Wärme in ihre Stimme, als hätte er ihr bereits eine Spende versprochen.
    Er zögerte.
    Sir Robert lächelte. »Wo dürfen wir spenden, Miss Ballinger? Könnten Sie dafür sorgen, dass es die richtigen Menschen erreicht, wenn wir es Ihnen anvertrauen?«
    Â»Vielen Dank, Sir Robert«, sagte sie so erleichtert und dankbar, dass sie übers ganze Gesicht strahlte. Einen Augenblick lang war sie richtig hübsch. »Ich werde selbst Lebensmittel und Kohle kaufen, aber natürlich bin ich mehr als glücklich, Ihnen eine Quittung zu senden, damit Sie sehen, was wir mit dem Geld getan haben.«
    Â»Dann rechnen Sie bitte mit fünf Pfund«, antwortete er. »Ich bin mir sicher, Soames kann mindestens noch einmal das Gleiche drauflegen, nicht wahr?« Damit wandte er sich an Soames, der ausgesprochen betroffen dreinschaute.
    Margaret war das völlig gleichgültig. »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte sie rasch. »Damit kann viel Gutes getan werden.«
    Soames gehorchte nur sehr zögernd. Margaret bewegte sich auf einer Welle des Triumphes weiter. Bei der nächsten Begegnung lief es nicht ganz so glücklich, aber als der Abend vorbei war, hatte man ihr eine erkleckliche Summe zugesagt.
    Am Morgen des übernächsten Tages nahm sie das Geld, das sie inzwischen erhalten hatte, ging zum Kohlenhändler und kaufte eine ganze Wagenladung Kohle. Sie ging mit dem Mann, der sie auslieferte, in die Portpool Lane und zeigte ihm, wo er sie über die Rutsche von der Straße in den Keller kippen sollte.
    Flache graue Wolken jagten über den Himmel, und Margaret stand im kalten Wind und starrte auf die Mauern des Hauses.
Es war feucht und bitterkalt, und es roch nach Ruß und nach dem sauren Geruch der Kanalisation, aber die Luft war nicht infiziert. Margaret wurde von Schuldgefühlen gequält. Hester war nur wenige Meter entfernt, hinter diesen blanken Backsteinen, aber es hätte auch eine völlig andere Welt sein können. Margaret schaute zu den Fenstern hinauf und versuchte, einen Blick auf jemanden zu erhaschen, aber es war kaum mehr zu erkennen, als Licht und Schatten und hier und da eine Bewegung.
    Der Wind brannte auf ihren Wangen. Sie wollte rufen, damit jemand hörte, wie sehr sie sich sorgte, aber das wäre nicht nur sinnlos, sondern obendrein auch sehr gefährlich. Langsam drehte sie sich um und ging zu dem Kohlenmann zurück. »Danke«, sagte sie einfach. »Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn mehr gebraucht wird.«
    Als Nächstes kaufte sie Hafermehl, Salz, zwei Gläser Honig, einen Sack Kartoffeln und mehrere Schnüre Zwiebeln und brachte sie einem der Männer, die diskret unter den

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