Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Ihnen. Und Ihre Freundin trägt ihn ebenfalls nicht bei sich. Vergraben haben Sie ihn allerdings auch nicht, denn das hätten mir meine Späher berichtet. Natürlich habe ich Sie schon eine Weile beobachten lassen.« Er hob einen Finger. »Aber ich mag Herausforderungen, denen man mit etwas Logik begegnen kann. Und da bleibt eigentlich nur noch ein Versteck übrig.« Er bedeutete zwei der Gargylen, aufzusteigen. »Durchsucht das Auto.«
Lukas schluckte. Er hatte den Grünen Dresden im Radkasten versteckt. Dennoch bewahrten er und Millepertia eine gleichgültige Miene.
Die beiden Wasserspeier krächzten wie Vögel, stiegen auf und flogen über die Mauer hinweg davon. Kurz darauf war das hässliche Geräusch eines in Fetzen gehenden Verdecks zu hören. Dee sah interessiert auf, als die Gargylen wieder zurückkehrten. Sie trugen den Beutel und Dees Kristallkugel bei sich.
Dee nahm die Kristallkugel an sich, knüpfte den Beutel auf und zog den Homunkulus hervor. »Sieh an, der kleine Dieb aus dem Museum! Interessantes Werkstück, nur suchen wir nicht das hässlichste Gesicht, sondern den hübschesten Edelstein.« Wie eine ausrangierte Marionette warf er das künstliche Menschlein auf den Tisch zu den übrigen Gegenständen.
Einen Moment lang glaubte Lukas zu sehen, wie der Homunkulus seine Augen aufschlug und sich umsah. Dann schloss er die Lider wieder und erschlaffte.
Dee fixierte die Gargylen ungehalten. »Das war alles? Als ich davon sprach, den Wagen zu durchsuchen, meinte ich, dass ihr ihn nötigenfalls bis auf das letzte Bauteil zerlegt, ihr dummen Kreaturen!«
Mit neuerlichem Vogelgeschrei stiegen die Wasserspeier zum Nachthimmel auf, und jenseits der Mauern erklang das Geräusch reißenden Metalls.
Lukas starrte Dee böse an. »Warum liefern Sie uns Abraham nicht einfach aus, und ich besorge Ihnen den Stein, ohne dass Sie den Wagen zerstören?«
»Weil Sie den historischen Moment offenbar nicht erkennen, Herr Faust. Wir sind nicht hier, um
Zeig mir deins, dann zeig ich dir meins
zu spielen, sondern um der Seele Ihres Ahnen einen neuen Körper zu verschaffen.« Dee sah ihn triumphierend an. »Und damit meine ich
Ihren
Körper.«
Lukas wurde flau zumute, und aus dem Augenwinkel sah er Milles erschrockenen Blick. Er wagte nicht, ihr in die Augen zu blicken. Abraham hatte ihn in Baden-Baden genau davor gewarnt. Und er war so dumm gewesen, direkt in die Höhle des Löwen zu laufen. Verdammt! Jetzt erinnerte er sich auch wieder daran, was ihm der jüdische Zauberer über den Ablauf des Rituals erzählt hatte. Dafür war ein Menschenopfer notwendig. Und Dee schien Abraham dafür auserwählt zu haben.
»Ich trachte schon so lange danach, Fausts Geheimnis auf die Spur zu kommen«, erklärte Dee und blätterte in den Seiten des Höllenzwangs. »Die fehlenden Seiten haben es mir nicht leicht gemacht, seinen Willen zu erkunden. Doch es half, sich in seine Lage zu versetzen. Danach war es nicht schwer, das alte Ritual zu rekonstruieren.« Er sah auf. »Das mit Abraham von Worms tut mir fast ein wenig leid. Ich empfinde Respekt vor Ihrem Mentor, und das will etwas heißen. Aber für die Seelenrückführung ist ein Menschenopfer notwendig. Und es gibt keinen besseren sanguinischen Katalysator als einen Zauberer. Da Sie Agrippa leider haben entwischen lassen, wird mir Abraham als Ersatz dienen.«
»Warum lassen Sie sich darauf ein?«, rief Millepertia verzweifelt. »Sie müssen doch wissen, dass Doktor Faust Sie bei erstbester Gelegenheit verraten wird.«
»Natürlich wird er das. Ich würde an seiner Stelle nicht anders handeln.« Dee lächelte nachsichtig. »Deswegen stehen Sie beide ja in einem Zwingkreis. Und aus diesem wird auch Doktor Faust nicht mehr herauskommen, wenn er erst in seinen neuen Körper eingefahren ist. Auch warum ich Faust bei mir haben will, ist leicht erklärt: Ich benötige ihn, um den dritten Adamanten aufzuspüren. Sobald er mir dienlich war, werde ich ihn zurück in die Hölle schicken.«
Die beiden Wasserspeier kehrten zurück, und Lukas’ Hoffnung, dass sie den Diamanten ebenso wie die Höllenbewohner nicht berühren konnten, zerstob. Denn einer von ihnen trug die Teufelsträne in den Krallen.
Lukas handelte. Er spuckte über die linke Schulter und schrie lauthals: »Mephistopheles! Mephistopheles! Mephistopheles!«
Mit einem Knall und viel schwarzem Rauch tauchte Mephisto neben ihm auf. »Sehr gut, Famulus«, knurrte er. »Alles läuft nach Plan!«
»Welcher Plan?« Lukas sah ihn
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