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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Plötzlich verzerrten sich seine Gesichtszüge in namenlosem Grauen, ganz so, als könne er jetzt Dinge sehen, die ihnen verborgen blieben. Dann brach sein Blick.
    Hinter ihnen knirschte der Boden. Unter wehklagendem Geheul brach der Helljäger auf dem Hofpflaster ein. Das noch immer fahl leuchtende Pentagramm schluckte ihn ebenso lautlos, wie es ihn ausgespien hatte.
    Mephisto schüttelte befriedigt sein Fell und zwinkerte Lukas zu. »Allmählich laufe ich wieder zu alter Form auf!«
    »Bist du dir da sicher?«
    Aufgeschreckt von der Stimme fuhren sie herum und entdeckten Agrippa von Nettesheim, der eben noch vor der alten Stallung am Boden gelegen hatte. Der entstellte Zauberer strich sich angewidert über das Loch in der Wange und musterte Lukas. »Hatte ich in meinem Buch nicht Anweisungen gegeben, den Körper meines Nachfahren als Seelengefäß vorzubereiten?« Seine Stimme klang kehlig und ungelenk, fast so, als wäre er an den Gebrauch von Stimmbändern nicht gewöhnt. »Es wird Jahre dauern, bis ich diese Hülle wieder instand gesetzt habe.«
    Millepertias Kehle entrang sich ein gequälter Laut, als sie zu Abraham herübersah. Lukas folgte ihrem Blick und verstand: Der alte Jude war tot.
    Doch im Augenblick hatten sie noch ein anderes Problem. Mephisto knurrte und sprach das aus, was jeder von ihnen dachte: »Faust!«
    »
Doktor
Faust. So viel Zeit sollte sein.« Zu ihrem Entsetzen hob der Wiederauferstandene die Linke und präsentierte den Grünen Dresden. Der Adamant funkelte in einem Feuer, dessen Widerschein das von Brandwunden entstellte Gesicht des Zauberers noch grässlicher erscheinen ließ.
    Lukas half der erschöpften Millepertia auf die Beine, von der die Hartheugestalt längst wieder abgefallen war. Was sollten sie jetzt tun?
    »Wag es nicht!«, grollte der Teufel.
    Doktor Faust rang Agrippas entstellten Gesichtszügen ein Lächeln ab. »Warum sollte ich nicht? Genau deswegen bin ich doch hier.«
    Mephisto stieß ein warnendes Knurren aus, dann sprang er Faust mit einem Satz an. Der jedoch ballte die Faust, und der Stein zerbröselte mit platzendem Laut, als bestünde er lediglich aus Ton. Gleißendes Licht brach zwischen Fausts Fingern hervor, Mephistopheles überschlug sich winselnd in der Luft und krachte zu Boden.
    Lukas wandte hastig seinen Blick ab. Wie schon damals in Staufen glaubte er von irgendwoher das Schmettern von Posaunen zu hören. Trotz des Kummers, den ihm Abrahams Tod bereitete, durchrieselte ihn ein feierliches Hochgefühl, wie er es zuvor noch nie erlebt hatte. Und aus irgendeinem Grund machte sich Hoffnung in ihm breit. Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass er Mille schützend umfasst hielt. Verwirrt sahen sie einander an, dann glitt Lukas’ Blick erneut über den Hof.
    Mephisto jedoch lag wie entrückt zwischen ihnen und dem Doktor am Boden. Der Blick seiner Pudelaugen wirkte verklärt, und er schien sie kaum wahrzunehmen. Auch Doktor Faust stand mit offenem Mund da. Doch dann blinzelte er, und rasch schlich sich wieder Hochmut in seinen Blick. Drohend wandte er sich Lukas zu. »Und jetzt zu dir, Urenkel. Ich werde den bedauerlichen Irrtum korrigieren, der meiner Seele widerfahren ist.«
    »Nicht, solange ich noch in dieser Welt weile!«, rief ein dünnes Stimmchen. Vom Tisch sprang der Homunkulus; seine großen Augen blitzten kämpferisch, und in seinen Armen trug das künstliche Menschlein die schwirrende Armillarsphäre.
    »Abraham?«, keuchte Millepertia überrascht.
    Faust fuhr herum und beschrieb mit den Fingern eine Beschwörungsgeste.
    Der Homunkulus jedoch rannte mit seinen kurzen Beinchen auf sie zu und erreichte sie in jenem Moment, als eine Art Spinnennetz auf sie zuschoss.
    Das Letzte, was Lukas sah, war, wie sich die Raumstruktur des Burghofs dehnte. Dann umhüllte sie Finsternis.

Faust
Des Dramas zweiter Teil
    »Ich bin ein Teil von jener Kraft,
    die stets das Böse will
    und stets das Gute schafft.«
    Mephistopheles,
    Faust;
Vers 1335

Gesang der Engel
    D ie Apokalypse beginnt!« Lukas betrat mit einem Stapel Zeitungen die Berghütte und präsentierte Millepertia die neuesten Schlagzeilen. »An der Küste Frankreichs hat sich das Meer blutrot verfärbt. In Indien ist die Pest ausgebrochen. In den USA belagert das FBI eine gewalttätige Weltuntergangssekte. In Katalonien haben Bauern zwei Frauen als Hexen verbrannt. Im Irak lässt eine entsetzliche Dürre den Euphrat austrocknen. Eine rätselhafte Sonnenfinsternis über dem Atlantik.

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