Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Wied stammen die Aufzeichnungen aus dem verschollenen Trakt. Er hat einst dem Nibelungenhort einen Besuch abgestattet und Urds Spiegel befragt. Er dürfte gewusst haben, wo sich die dritte Träne befindet.«
»Woher nimmst du diese Sicherheit?«
»Weil Arnold von Wied nach eurer Zählweise im zwölften Jahrhundert lebte. Fausts blinder Bibliothekar hat deiner Aussage nach aber behauptet, dass Faust den Adamanten aus dem Höllenzwang einst im Schwarzwald fand. Ein Ereignis, das wir somit getrost auf das sechzehnte Jahrhundert datieren dürfen. Der Grüne Dresden hingegen scheint erst im siebzehnten Jahrhundert in Indien gefunden worden zu sein. Also, was schließen wir daraus?«
Lukas runzelte die Stirn. »Keine Ahnung, sag du es mir.«
»Wir schließen daraus, dass es für einen Pfaffen recht ungewöhnlich wäre, solch heidnische Forschungen gute vierhundert Jahre zuvor anzustrengen, wenn es dafür nicht einen triftigen Grund gab. Oder mit anderen Worten: Arnold wusste bereits um die Adamanten. Und das konnte er nur, wenn er bereits auf einen von ihnen gestoßen war.« Eine Weile war nur der Bergwind zu hören, der sanft über die Grate und Felsen strich.
»Nur kommen wir an seine Aufzeichnungen nicht mehr heran«, sagte Lukas. »Und Arnold von Wied selbst können wir auch nicht mehr befragen, denn er ist schon seit weit über achthundert Jahren tot.«
»Das ist ein Grund, Famulus, aber kein Hindernis.« In Mephistos Blick spiegelte sich die Morgenröte. »Ich habe da bereits einen Plan.« Ohne ihn anzusehen, wandte der Pudel sich von ihm ab und trottete auf die Almhütte zu, hinter deren Fenstern Millepertia zu sehen war. Sie öffnete ihnen, und ohne ein Wort der Begrüßung sprang Mephisto auf einen Stapel dicker Schwarten unter dem ausgestopften Wolpertinger.
Abraham, der in seiner Homunkulusgestalt noch immer auf dem Tisch stand, verschränkte übel gelaunt die Arme vor der Brust. »Ah, Seine höllenfürstliche Majestät geruht, uns zu beehren. War es draußen zu zugig? Wünscht der Herr, dass wir den Kamin anfeuern? Oder gelüstet es ihn nach etwas Flohpulver?«
»Erspare mir deine Tiraden, Rübennase. Famulus!« Auffordernd sah der Pudel Lukas an. Der gab kurz den Inhalt ihrer Überlegungen weiter, was bei Millepertia und Abraham Stirnrunzeln auslöste.
»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte die Hexe. »Du willst Arnold von Wied befragen? Wie das denn? Er war Erzbischof. Seine Seele dürfte sich im himmlischen Paradies befinden. Auf sie hast du keinen Zugriff.«
»Schätzchen, du willst mir doch nicht weismachen, dass du in all den Jahren auf diese Kirchenpropaganda hereingefallen bist?«, knurrte Mephisto. »Soll ich euch verraten, wie viele Päpste, Bischöfe und sonstige Pfaffen bei uns im Höllenfeuer schmoren? Würden wir die hier auftürmen, bräuchtet ihr euch in den nächsten tausend Jahren um Feuerholz keine Gedanken mehr zu machen.«
»Arnold von Wieds Seele ist in die Hölle gefahren?«
»Nein, diese dummerweise nicht.«
»Dann sag schon, wie dein Plan aussieht«, wandte Lukas ungeduldig ein.
Mephisto setzte sich auf seine Hinterbeine. »Von der Engelkaste der Grigori, die einst bei der Errichtung des Garten Eden mitgeholfen haben, habt ihr schon gehört?«
»Selbstverständlich«, sagte Abraham kühl. »Ohne die Folgen ihrer fleischlichen Begierde würdet ihr Teufel es wohl kaum derart auf uns Zauberer abgesehen haben.«
»Was, wenn ich euch verrate, dass sie nicht bloß Nachkommen gezeugt, sondern auch unerlaubt himmlisches Wissen unter den Sterblichen verbreitet haben?«
Millepertia sah ihn fragend an. »Welches himmlische Wissen?«
»Engelsgesänge«, antwortete Mephisto. »Himmlische Musik, der die Macht der Engelschöre innewohnt. Quasi die himmlische Hitparade der Seraphim und Cherubim.«
Abrahams kleine Gestalt richtete sich gespannt auf. »Du sprichst von Engelsbeschwörungen?«
»Nein, ich spreche von Musik, mit der man den Beistand des Himmels anrufen kann. Eine Macht, die sogar die Kraft besitzt, Tote wiederzubeleben, deren Seelen in den himmlischen Paradiesen weilen.« Mephisto lächelte böse. »Oder was denkt ihr, wie es ein Heiliger vom Schlage Nikolaus’ von Myra einst fertiggebracht hat, gleich mehrfach ermordete Kinder ins Leben zurückzuholen? Unsereins hatte damit jedenfalls nichts zu tun. Jedenfalls nicht mit der Wiederbelebung.«
»Du planst also, Arnold von Wied wiederzubeleben?«, fragte Lukas ungläubig.
Mephisto wiegelte ab. »Eine echte
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