Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Konzentration auf die vor ihnen liegende Aufgabe konnte er doch wohl verlangen.
Er besorgte Tickets, und sie ließen sich von zwei kräftigen Türstehern durchsuchen. Anschließend kamen sie am Merchandise-Stand der Band vorbei und betraten die schummrige Konzerthalle.
Der Lärm der Gitarren und Drums, in den sich hin und wieder das Spiel einer Querflöte mischte, machte eine Unterhaltung fast unmöglich. Weiter hinten, auf der abwechselnd von rotem und weißem Scheinwerferlicht angestrahlten Bühne, erblickten sie nun auch
Devil’s Tabernacle.
Die Musiker trugen ausnahmslos schwarze Kutten; nur ihre langen Haare wollten nicht so ganz zu der Mönchstracht passen. Der Drummer, ein muskulöser Kerl mit Fransenbart und keltisch anmutenden Tattoos auf den Unterarmen, bearbeitete sein Schlagzeug, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her, während die beiden Gitarristen ihre Instrumente derart zum Schreien brachten, dass der Querflötenspieler ganz rechts mit seinem Spiel fast unterging. Auch der langhaarige Sänger der Gruppe warf sich ins Zeug. Er stand ganz vorn am Mikro und war der Einzige, der mit Nietenlederhose und freiem Oberkörper auftrat. Natürlich war auch er an Brust und Armen tätowiert. Er grölte irgendetwas auf Englisch, von dem Lukas bis auf den Refrain
Fuck the devil
kaum etwas verstand. Es war ihm auch egal, denn er vermisste das Spiel der Teufelsgeige, das ihnen Mephisto angekündigt hatte.
Der Saal war nur knapp zur Hälfte gefüllt. Vor der Bühne tanzten zwar tapfer fünfzig oder sechzig Fans, doch auffällig viele von ihnen lümmelten links am Tresen herum.
»Ich seh weiter hinten nach Mephisto«, schrie er gegen den Lärm an und deutete in Richtung des Mischpultes. »Vielleicht siehst du dich mal am Tresen um. Wenn er nicht auftaucht, versuchen wir die Band backstage abzupassen.«
Millepertia nickte, und Lukas schob sich tiefer in den Saal hinein. Zwei Mädchen mit schlohweiß gefärbten Haaren, tiefschwarzen Wimpern und ebenso schwarzen Goth-Kleidern musterten ihn skeptisch. Tatsächlich fiel er unter all den Mitgliedern der schwarzen Szene wie ein bunter Hund auf. Einen
schwarzen
Hund jedoch konnte er nirgendwo ausmachen.
Devil’s Tabernacle
beendete das Stück mit einem dramatischen Schlussakkord. Verhaltener Jubel machte sich breit. Künstlicher Nebel stieg auf, und die Bühne erstrahlte jetzt in bengalischem Feuer.
»Hey, Karlsruhe, ihr seid der Wahnsinn!«, versuchte der Frontmann Stimmung zu machen. Die Menge johlte lahm. Nur ein deutlich bekifft wirkendes Mädel in schwarzem Halbbrustkorsett, das mehr enthüllte, als es verbarg, kreischte begeistert. Nach und nach kamen rhythmische Rufe auf, die rasch lauter wurden: »Ben! Ben! Ben!«
Lukas bemerkte, dass dieser Ben Dark, wie er sich nannte, gar nicht auf der Bühne stand. Bestand die Band nicht eigentlich aus sechs Leuten?
Der Sänger lächelte sparsam und stimmte eine düstere Ballade an, die anfangs allein von der Querflöte begleitet wurde. Rasch setzten wieder die E-Gitarren ein, und der Drummer begleitete sie wie zu einem Trauermarsch. Ein Eindruck, der nur zu gut passte, denn der ganze Auftritt ähnelte eher einem Trauerspiel. Irgendwas stimmte mit
Devil’s Tabernacle
nicht.
Lukas ging wieder zurück zum Tresen, und sein Blick vereiste. Mille war nicht weit gekommen. Stattdessen stand sie mit dem Typen vom Eingang zusammen, der ihr gerade einen braun schimmernden Cocktail mit Eis ausgab. Zu seinem Ärger spürte Lukas Eifersucht in sich aufsteigen.
»Nee, Ben Dark hat sich zwei Monate vor Tourbeginn von den Devils getrennt«, hörte er Millepertias Bekanntschaft gegen den Lärm anrufen. »Angeblich wegen künstlerischer Differenzen. Ohne ihn sind die jedenfalls nicht mehr dieselben. War heute sicher das letzte Konzert von denen, für das ich Kohle ausgegeben habe.« Er lächelte. »Apropos: Kann es sein, dass ich dich letztes Jahr bei dem Konzert in Ulm gesehen habe?«
Millepertia nippte am Glas, hob erstaunt eine Augenbraue und leerte den Cocktail dann in großen Zügen. »Nee, da war ich ganz sicher in Worms«, meinte sie. »Ich war eigentlich die ganze Zeit über in Worms.«
»In Worms haben die auch gespielt?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Millepertia deutete begeistert auf das leere Glas. »Haben die hiervon noch mehr?«
»Klar.« Der Typ grinste und orderte noch zwei weitere Cocktails.
Lukas drehte sich kämpferisch die Kappe in den Nacken und beschloss, dass es Zeit war, einzuschreiten. »Hi!«,
Weitere Kostenlose Bücher