Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
stemmte seine Ärmchen in die Hüfte. »Ist Euch nicht klar, welche Implikationen sich daraus ergeben?«
»Welche Implikationen?«
»Denkt an das, was Ihr und Millepertia durch Urds Spiegel erfahren habt«, rief der Homunkulus verärgert. »Sprach der Spiegel nicht davon, dass die Adamanten angeblich nur vom Teufel selbst zerstört werden können? Warum also sollte der Teufel sie zerstören, wenn er selbst dadurch vernichtet wird?« Abraham deutete auf ihn. »Wenn durch Eure Adern aber tatsächlich Teufelsblut fließt und etwas seiner Macht an Euch und die Mitglieder Eurer Familie vererbt wurde … Das erklärt, warum es Euch möglich war, den Adamanten in Staufen zu zerstören. Das erklärt überhaupt erst Fausts Plan und warum er darauf setzen konnte, dass ihn jemand zurückholt!« Abraham lachte böse. »Nur bedeutet das auch, dass Faust jetzt vor einem ernsthaften Problem steht. Er steckt im falschen Körper! Nämlich in jenem von Agrippa von Nettesheim. Und der stammt sicherlich nicht vom Teufel ab.«
»Sie vergessen den Grünen Dresden«, antwortete Lukas. »Den konnte Faust auch im Körper von Nettesheims zerstören.«
»Seid Ihr Euch da sicher?« Der Homunkulus sah ihn aufmerksam an. »Ich war zwar während des Kampfes etwas beeinträchtigt, aber mir war so, als hättet Ihr den Diamanten kurz zuvor berührt. Und Ihr wart verletzt.«
Lukas runzelte die Stirn. »Verdammter Mist, Sie haben recht. Es muss wieder etwas von meinem Blut auf den Stein gelangt sein.«
»Heißt das«, fragte Millepertia, »dass wir Lukas bloß verstecken müssen, um Fausts Pläne zu vereiteln?«
»Vielleicht. Aber wie lange soll das gutgehen?«
»Es hilft nichts. Wir brauchen Mephisto.« Lukas seufzte. »Also gut, hoffen wir, dass er heute etwas zugänglicher ist.« Er setzte die Tasse ab und verließ die Hütte.
Draußen erwartete ihn ein prachtvoller Anblick. Die Sonne stieg allmählich über den Bergzinnen auf, als wolle sie die bewaldeten Hänge um sie herum mit ihren Strahlen wachküssen. Lukas stiefelte beherzt den Bergrücken vor der Hütte hinauf. Er wusste, wo Mephisto war. Seit ihrer Ankunft hockte der schwarze Pudel auf einem Felsen, von dem aus man einen prächtigen Blick auf Tal und umliegendes Gebirge hatte. Auch jetzt saß er noch immer da und tat … nichts.
Unaufgefordert setzte Lukas sich neben ihn und blinzelte der Sonne entgegen, die die Alpenwelt um sie herum allmählich zum Erglühen brachte. Der Teufel jedoch schien für all die Schönheit keinen Blick zu haben, denn er starrte geradewegs zu den Bergkuppen im Osten, der aufgehenden Morgenröte entgegen. Lukas beäugte ihn misstrauisch und glaubte im Blick des Pudels einen Anflug von Melancholie zu erkennen. »Wie lange willst du hier noch untätig herumsitzen?«, sprach er ihn an. »Was ist los mit dir? Willst du kampflos untergehen und Abaddon allen Ernstes deinen Thron überlassen?«
Mephisto reagierte nicht, was Lukas zunehmend in Rage geraten ließ. »Verdammter Mist, du bist der
Teufel!
Der himmlische Rebell! Ich kann nicht glauben, dass du jetzt einfach aufgibst.«
»Ich gebe nicht auf.« Zum ersten Mal seit Tagen rührte sich Mephisto und sah ihn an. »Aufgegeben habe ich noch nie. Im Gegenteil, ich habe nachgedacht.«
Lukas war so verblüfft, dass er kurz um Worte rang. »Wenigstens redest du jetzt wieder mit uns. Denn während du hier faul rumgehockt hast, haben wir die Stellung gehalten. Nur kommt Abraham ohne dich nicht weiter. Der dritte Adamant bleibt unauffindbar.«
»Er wird gut verborgen sein«, antwortete der Teufel.
»Ach ja? Woher willst du das wissen?«
»Wir haben bei unserer Suche vergessen, dass weder wir noch Doktor Faust die Ersten waren, die auf die Adamanten aufmerksam wurden.«
»Du sprichst von Arnold von Wied, dem einstigen Erzbischof Kölns?«
»Natürlich, Famulus.« Mephisto richtete sich auf. In seinem Blick blitzte statt der allumfassenden Lethargie der letzten Tage endlich wieder jener diabolische Wille auf, den Lukas an ihm vermisst hatte. Erleichtert lächelnd legte er dem Pudel die Hand auf den Rücken – und erschrak vor sich selbst. Hatte er sich gerade wirklich darüber gefreut, dass die Schaffensfreude des
Teufels
zurückgekehrt war? Einen Moment lang glomm die rote Höllenglut in Mephistopheles’ Hundeaugen auf, und der Pudel sah ihn spöttisch an. Schnell und wortlos zog Lukas seine Hand zurück.
Mephisto tat, als habe er Lukas’ Geste nicht bemerkt, und fuhr fort: »Von Erzbischof Arnold von
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