Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Ohren. Überall um sie herum brachen die Ritter in die Knie.
Lukas verfolgte das fürchterliche Geschehen nur am Rande, denn er hatte genug mit sich selbst zu tun. Er japste, rang verzweifelt nach Luft, doch mit jedem Atemzug atmete er mehr von den Sporen ein. Der dämonische Schimmel verstopfte seine Atemwege, verklebte seine Augen und setzte seine Lungen in Brand. Zu seinen Füßen vernahm er das Schwirren von Abrahams Armillarsphäre und glaubte zu sehen, dass sich Millepertia längst in ihre grün-gelbe Hartheugestalt verwandelt hatte. Doch seine Augen tränten; schon bald konnte er außer vagen Schemen kaum noch etwas erkennen. Er röchelte, und bunte Sterne tanzten vor seinen Augen. In einem kurzen, klaren Moment sah er, dass die Adern an seinem Arm anschwollen und sich grünlich schwarz verfärbten. Diese Sporen waren wie Gift! Sie drangen in seine Blutbahn ein. Wenn ihm jetzt kein rettender Einfall kam, würde er hier an Ort und Stelle elendig verrecken.
Während Lukas verzweifelt versuchte, sich den Schleim aus der Mundhöhle zu räumen, stürzte einer der Ritter neben ihm und riss ihn dabei mit sich zu Boden. Lukas schwindelte, und sein Körper verkrampfte sich im Todeskampf. Luft. Er brauchte dringend Luft! Die bunten Lichter vor seinen Augen erloschen.
Jetzt sterbe ich, dachte er, als er unvermittelt ein Prickeln auf seinem Oberkörper spürte. Etwas drang tief in ihn ein, und der damit einhergehende Schmerz spülte sein Bewusstsein wieder an die Oberfläche. Hitze wallte durch seinen Leib, als läge sein Körper auf einem glühenden Rost. Einen kurzen Moment lang glaubte er, mit seinem Bewusstsein über seinem Körper zu schweben und weit über sich ein Licht zu erkennen, das ihm seltsam tröstlich erschien. Doch schon stürzte er wieder zurück, dann begann die Qual aufs Neue. Ihm war, als zwängten sich Schraubstöcke durch seinen Körper, und stöhnend schlug er die Augen auf.
Unweit von sich hörte er Schwertergeklirr, wüste Kampfgeräusche – und dann entdeckte er auf seinem Körper das Johanniskraut. Es hatte ihn komplett überwuchert. Nein, das war nicht richtig. Tatsächlich beugte Millepertia sich in ihrer Hartheugestalt über ihn und löste soeben die Hände von seinem Oberkörper. Dabei zog sie lange Wurzeln aus seinem Fleisch, was sich anfühlte, als würde sie ihm Schläuche aus den Adern ziehen. Sie keuchte, als habe sie einen Marathonlauf absolviert, dann fiel sie neben ihm zu Boden. Ihre grünen Augen wirkten kraftlos und blass, und ihr Pflanzengesicht verwandelte sich halb zurück in Menschengestalt. Schweiß stand auf ihrer Stirn, und auf ihrem Haupt verwelkte eine Blüte.
Lukas griff erschrocken nach ihrer Hand und spürte den Druck ihrer Finger. »Mille, was hast du getan?«
»Dich gerettet«, krächzte sie heiser. Sie erweckte den Eindruck, als wüte in ihr ein schlimmes Fieber. »Ich habe dir ein paar Tropfen meines Blutes verabreicht, um dich so vor dem Gift zu schützen. Und jetzt kümmere dich um die Teufelsträne! Schnell!«
Lukas sah auf die die vielen Toten um sie herum. Er hockte inmitten eines schrecklichen Leichenfeldes. Die leblosen Gesichter der Ritter ähnelten verzerrten Fratzen. Viele der Kämpfer hatten Schaum vor dem Mund, andere waren von dicken Schimmellagen überwuchert, die ihre Rüstungen und Waffen kaum noch erkennen ließen.
Barbarossa hingegen schien es mit Salomons Schwert geschafft zu haben, der hinterhältigen Sporenattacke zu entgehen. Hoch zu Ross kämpfte er inmitten all seiner niedergestreckten Kreuzritter mit dem Helljäger und schlug mit der heiligen Klinge wuchtig auf den Erzdämon ein. Stahl dröhnte auf Stahl, und die Schwerter der beiden ungleichen Kontrahenten schlugen bei jedem Aufeinandertreffen Funken. Barbarossa beherrschte unbenommen das Kriegshandwerk. Obwohl Abaddon ihn immer wieder mit Sporenwolken zu blenden versuchte und aus den Flanken seines Falben Tentakel hervorzüngelten, an deren Enden bissfreudige Schlangenköpfe pendelten, hielt sich der alte Stauferkönig standhaft. Sein Pferd blutete aus zahlreichen Wunden, und der Schild in seiner Linken war an mehreren Stellen zersplittert, doch auch er fügte dem Helljäger Verletzungen zu. Gleich zwei von Abaddons Rippenbögen waren gebrochen, und an den Skelettfingern seiner linken Klaue fehlten mehrere Glieder. Abaddon schien von der heftigen Gegenwehr überrascht, doch er gab keinen Zollbreit nach.
Hastig suchte Lukas nach dem Geomanten, konnte dessen Homunkulusgestalt
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