Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
dass er den Sachsen ausgenommen hatte. »Na ja, ein bisschen was habe ich noch. Allerdings beunruhigt es mich ehrlich gesagt etwas, dass wir ansonsten pleite sind.«
»Wir und mittellos? Mitnichten.« Abraham schmunzelte. »Ich bin Zauberer, Herr Faust. Nur benötige ich solchen Tand für gewöhnlich nicht. Um Euch zu beruhigen: Ich bin durchaus vermögend, nur sollten wir einige Tage warten, bis sich der Staub so weit gelegt hat, dass wir gefahrlos nach Worms zurückkehren können. Wenn Ihr uns bis dahin zur Bewältigung profaner Angelegenheiten mit Euren Mitteln aushelfen könntet, fühlte ich mich Euch zu Dank verpflichtet.«
»Und wenn wir nicht nach Worms zurückkehren können?«, hakte Lukas misstrauisch nach.
Doch Abraham schien die Frage nicht aus der Ruhe zu bringen. »Kommt Zeit, kommt Rat. In diesem Fall werden wir einfach eines meiner anderen Verstecke aufsuchen. Gebt mir Bescheid, wenn Eure Barschaft aufgezehrt ist.«
Diesmal war es Lukas, der den Zauberer scheel musterte. Wollte der Kerl ihn über den Tisch ziehen? Andererseits, das Auto, in dem sie saßen, sollte sich zur Not zu Geld machen lassen. »Verraten Sie mir, woher Sie den Wagen haben?« Er klopfte gegen das hölzerne Lenkrad.
Abraham schmunzelte. »Gefällt er Euch? Mir hat diese Motorkutsche damals auch gefallen.« Fast liebevoll strich Abraham über die Ledersitze. »Das war überhaupt das erste Mal, dass mir eine der technischen Neuerungen gefallen hat. Fast so, als hätte ich über die Jahrhunderte den Sinn dafür verloren. Das war auch der Grund, warum ich den Wagen gekauft habe. Nur hat sich schnell herausgestellt, dass diese Maschinen und ich keine Freunde sind. Würde ich an Eurer Stelle sitzen, würde der Motor vermutlich wieder bocken und aussetzen.«
»Wieso das?« Lukas lauschte, doch der Achtzylindermotor lief noch immer reibungslos.
»Ich weiß es nicht«, seufzte der Alte. »Vielleicht liegt es an meiner Beschäftigung mit der Geomantie. Andere Zauberer sollen angeblich keine solchen Probleme haben. Ich schätze, der Wagen spürt es. Das ist auch der Grund, warum er so lange ungenutzt herumstand.«
»Der Wagen
spürt
es?« Lukas lachte. »Das ist ein
Auto
und kein Lebewesen.«
»Seid Euch da nicht zu sicher. Viele Dinge sind beseelt.«
Eine Weile schwiegen sie, und Lukas musste an Stephen Kings
Christine
denken. Der Gedanke an ein verfluchtes Auto gefiel ihm gar nicht.
In der Ferne tauchten nun endlich die Lichter Baden-Badens auf. »Finden Sie es nicht ebenfalls seltsam, dass es den Ghulen so leicht fiel, von Nettesheim aufzuspüren?«, wechselte er das Thema.
»Doch.« Abrahams Stimme blieb ausdruckslos. »Es könnte sich um eine Falle handeln.«
»Eine Falle?« Lukas sah den Zauberer entgeistert an. »Wann hatten Sie vor, uns auf diese Option aufmerksam zu machen?«
»Ich wollte Euch nicht beunruhigen. Das ist auch der Grund, warum wir uns dem Ort auf profane Weise annähern. Baden-Baden ist von Nettesheims Spielwiese. Ich vermag nicht zu sagen, ob er nicht rund um die Stadt Sicherungen errichtet hat, die ihn warnen würden, wenn wir auf arkane Weise gereist wären.«
»Das heißt, von Nettesheim erwartet uns?«
»Das heißt, dass wir stets mit allem rechnen sollten. Man überlebt nicht Hunderte von Jahren ohne eine gewisse Vorsicht. Und zur Not habt Ihr ja Eure Flinte.« Abraham musterte die alte Reisetasche hinter dem Fahrersitz, in der Lukas die doppelläufige Muskete verstaut hatte. »Eure Neugier letzte Nacht hätte übrigens tödlich für Euch enden können. Denn natürlich war ich in der Lage, Mille und mich zu schützen.«
»Das wirkte da unten im Knochensaal aber ganz anders.«
»Tatsächlich?« Abraham schürzte die Lippen. »Ihr solltet mich besser nicht unterschätzen. Aber ich gestehe, dass wir ohne Euer Eingreifen vermutlich nicht so schnell an die Information über Agrippas Aufenthaltsort gelangt wären. Nur müssen wir uns jetzt vor der Waffe hüten, die Ihr dummerweise an Euch genommen habt. Ihr schwebt in großer Gefahr – und wir mit Euch.«
»Sie meinen die Sache mit den Freikugeln?« Lukas winkte ab. »Ich weiß selbst, dass die siebte Kugel angeblich vom Teufel gelenkt wird. Ich werde sie einfach nicht abfeuern.«
»Ach, werdet Ihr nicht? Und was, wenn es jemand anderes für Euch tut?« Der Zauberer sah ihn ernst an. »Für gewöhnlich trifft die siebte Kugel den Schützen selbst. Oder jemanden, den er liebt.«
»Ich werde schon aufpassen«, sagte Lukas. »Außerdem … was
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