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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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von einer dicken Schimmelschicht überzogen. Lukas wäre am liebsten umgekehrt. Selbst das kühle, menschenleere Kirchenschiff in ihrem Rücken erschien ihm mit einem Mal wie ein warmer, heimeliger Ort.
    Abraham trat vor ein altes Lesepult und klappte vorsichtig das darauf liegende Buch auf. Es knackte brüchig. »Schade«, flüsterte er. »Ich hatte gehofft, ein Register zu finden.«
    Millepertia fischte derweil mit spitzen Fingern eine Pergamentrolle aus einem Regal und ließ sie angewidert fallen. Sie war über und über mit Maden bedeckt.
    In diesem Moment drang aus der Tiefe des Raumes ein hektisches Flattern an ihre Ohren. Reglos verharrten sie und lauschten, doch der alte Bibliothekstrakt war so düster wie eine Gruft.
    Lukas kramte nun doch die doppelläufige Muskete aus dem Tarnmantel und lud sie umständlich durch. Wenn hier etwas auf sie lauerte, wollte er dem nicht unbewaffnet entgegentreten. Dann reichte er Millepertia den Mantel, und gemeinsam mit Abraham rückten sie tiefer in die Bibliothek vor. Auf einigen Regalen lagen dicke Schwarten, die mit Ketten gesichert waren. Viele Bücher waren von Wurmlöchern perforiert, die fast die Dicke eines Bleistifts besaßen, während andere von Tintenfraß zerstört waren. Da entdeckte Lukas einen großen Himmelsglobus mit den Darstellungen der Sternzeichen. Er berührte ihn – und in der Bibliothek erhob sich mit einem Mal ein ohrenbetäubendes Getöse. Lukas glaubte seinen Augen nicht zu trauen, doch überall um ihn herum sprangen plötzlich Bücher aus den Regalen, die mit den Einbänden flatternd zur Raumdecke aufstiegen und sich auch ansonsten wie eine Schar aufgeschreckter Vögel verhielten.
    »Ruhig, meine Lieben. Kscht! Zurück auf eure Plätze«, drang eine heisere Röchelstimme an ihre Ohren.
    Die Bücher über ihren Köpfen schlugen noch immer wild mit den Buchdeckeln, doch einzelne von ihnen glitten nun wieder zurück auf die Regale. Die Luft war jetzt von Staub erfüllt, der in Lukas’ Nase kitzelte. Er nieste.
    »Herr, seid Ihr das? Seid Ihr endlich zurückgekommen?« Aus dem Dunkeln drang ein Schlurfen.
    Abraham, der offenbar etwas entdeckt hatte, bedeutete Millepertia hektisch, sich und ihn mit dem Tarnmantel zu verhüllen. Lukas gab er aufgeregt stumme Zeichen, die dieser so deutete, dass er stehen bleiben möge. Den Rest verstand er nicht. Schon waren die beiden verschwunden. Verdammt, was sollte das?
    Lukas hob panisch die Flinte und sah jetzt selbst die Gestalt, die aus dem Dunkeln trat. Am liebsten hätte er geschrien, denn das, was da auf ihn zuwankte, war kein Mensch, auch wenn es vielleicht einmal einer gewesen war. Jetzt war es nicht mehr als ein wandelnder Leichnam in zerschlissener Mönchsrobe. Die Haare hingen dem Wesen wie eitrige Rinnsale vom Schädel, das Gesicht war von grünlich weißem Schimmel entstellt, und dort, wo einstmals Augen gewesen waren, prangten zerfressene Löcher, die ihn hohl anstarrten. »Herr?«
    Mit schreckensgeweiteten Augen umklammerte Lukas seine Waffe und kämpfte gegen eine Ohnmacht an. Der untote Mönch tastete sich derweilen schnüffelnd an den Regalen entlang. Dass er blind war, war offensichtlich. Lukas kam eine verzweifelte Idee. »Ich bin hier«, flüsterte er rauh.
    »Endlich, Herr.« Die Gestalt saugte die Luft mit dem Geräusch eines Lungenkranken ein, und die leblosen Lippen bleckten sich zu einem gespenstischen Lächeln. »Ihr habt länger für eure Rückkehr gebraucht, als ich dachte.« Der blinde Mönch kam näher und tastete mit seinen schimmeligen Fingern nach ihm. Lukas musste all seinen Willen aufbringen, um die Hand, die ihm über Brust und Gesicht fuhr, nicht angewidert zur Seite zu schlagen.
    »Mir kam etwas dazwischen«, antwortete er mit gepresster Stimme und sah sich verzweifelt nach Abraham und Millepertia um. Natürlich fand er sie nicht.
    »Einige hundert Jahre, will ich meinen«, antwortete der blinde Mönch heiser und kicherte. »Habe die Zeit etwas aus dem Blick verloren.« Er schnüffelte. »Ihr seid es, ohne Zweifel. Doch Eure Stimme klingt so jugendlich. Wie von frischer Lebenskraft erfüllt. Und wo ist Euer Bart?«
    Lukas dachte an das zurück, was Abraham über die Pläne seines Ahnen gemutmaßt hatte. »Nun, ich stecke jetzt im Körper meines Nachfahren. Das war leider unumgänglich.«
    Der Mönch präsentierte eine Reihe fauliger Zähne. »Dann hat Euer Plan funktioniert? Natürlich hat er das.« Er lachte kehlig. »Die erste Teufelsträne ist zerstört. Es hat

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