Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Als er sie losließ und sie sich auf weichen Knien zu ihrem Platz zurückbringen ließ, schossen im ganzen Saal die Hände mit Geldscheinen in die Höhe, und ich dachte: Willkommen im Showbusiness, Primo.
36
D ie Tür schloss sich hinter uns, und wie von Zauberhand war es vollkommen still. Der Bereich hinter der Bühne war schallisoliert, aber heute Abend war noch mehr daran. Offenbar konnte ich wieder denken, richtig denken, sowie die Tür zu war. Jean-Claudes körperliche Nähe, die meistens zu Körperkontakt führte, hatte bei mir schon immer einiges angerichtet. Aber heute Abend konnte ich nicht mal im selben Raum mit ihm sein.
Ich schüttelte den Kopf. »Was ist bloß los, verdammt?«
»Wir haben einen Verbandkasten in den Umkleideräumen«, sagte Byron und wollte mich auf eine der Türen auf der rechten Seite zuschieben.
Ich entzog ihm meinen Arm und sah Nathaniel an. »Habe ich mich verhört, oder hat Jean-Claude wirklich gesagt, du sollst mich nicht anfassen?«
Er nickte. »Im Augenblick kann er nicht einschätzen, was dann passieren würde.« Er wirkte sehr ernst und verschlossen. Sein Auftreten mir gegenüber war wieder vorsichtig, und ich wusste nicht, warum.
»Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen?«
»Du tropfst«, sagte Byron und zeigte auf mein blutendes Handgelenk.
Ich tropfte gerade den weißen Boden voll. Der Flur war so weiß und karg, dass einen die roten Flecke geradezu ansprangen. Ich schüttelte wieder den Kopf. »Hier stimmt etwas nicht.«
»Du hast mehr Blut verloren, als dir aufgefallen ist«, meinte Byron.
»Anita«, sagte Nathaniel, und ich brauchte sonderbar lange, um mich zu ihm umzudrehen und ihn anzublicken. »Anita, geh in die Umkleide. Wir kümmern uns um dich.«
Ich nickte und hielt den Unterarm in Brusthöhe. Das sollte die Blutung ein bisschen verlangsamen. Der Jackenärmel war völlig versaut, und das fiel mir erst jetzt auf. Hier ging etwas sehr Sonderbares vor, und ich wusste nicht, was es war. Die Ursache war vermutlich das neue Triumvirat mit Damian und Nathaniel, aber das sagte mir noch nicht, was gerade vor sich ging. Die Ursache war mir im Augenblick nicht so wichtig. Das Geschehen selbst wollte ich begreifen.
Byron nahm mich behutsam beim Arm, um mich durch die Tür zu führen, die Nathaniel für uns aufhielt. Als ich an ihm vorbeiging, spürte ich zwischen uns eine Öffnung, als hätten wir eine Tür im Körper. Eine Tür, die sich um uns schließen und uns fest aneinanderdrücken wollte.
Byron schob sich tatsächlich vor mich, um eine Berührung mit Nathaniel zu verhindern. Ich knurrte ihn an und hörte Nathaniel ebenfalls knurren. »Ganz ruhig, meine Kätzchen. Ich tue nur, was der Meister der Stadt angeordnet hat.« Seine Augen waren ein bisschen geweitet, und mir wehte ein Geruch in die Nase, der ein bisschen an Angst erinnerte. »Kannst du beschreiben, wie sich Jean-Claudes Kuss vorhin angefühlt hat?«, fragte er und schloss die Finger um mein verletztes Handgelenk.
»Das tut weh«, sagte ich ärgerlich, bereit, wütend zu werden.
»Aber du kannst jetzt denken, ja?«
Ich wich einen Schritt vor ihm zurück und betrat damit den Umkleideraum. Byron folgte mir und lenkte mich am Handgelenk weiter hinein, hielt es aber etwas lockerer, sodass es nicht wehtat.
»Was passiert mit uns?«, fragte ich.
»Es sieht so aus, als hättet ihr eine neue Machtstufe erreicht«, sagte Byron und führte mich zwischen kleinen, beleuchteten Schminktischen hindurch, auf denen lauter Schminksachen und Kostümteile lagen.
»Und das heißt?«
Er ging bis zu einem großen grauen Stahlschrank am anderen Ende des Raumes. »Beantworte meine Frage. Kannst du beschreiben, wie sich Jean-Claudes Kuss vorhin angefühlt hat?« Er öffnete den Schrank, der vollgestopft war mit Putzmitteln und allerhand Zeug, das von den Darstellern gebraucht wurde. Der besagte Verbandkasten lag im obersten Fach, sodass er sich auf die Zehenspitzen stellen musste.
»Es war, als tränke er meine Seele.« Als ich mich das sagen hörte, war mir das viel zu poetisch, und ich wurde glatt rot. »Ich dachte, ich wüsste, wie es ist, mit ihm die Ardeur zu befriedigen, doch wenn dieser Kuss dazu dienen sollte, dann hat er sich bisher wohl zurückgehalten.«
Byron suchte nach einem freien Platz auf einem der Schminktische, wo er den Verbandkasten öffnen und das Verbandzeug hinlegen konnte, und gab schließlich auf. Er bat Nathaniel, den Kasten zu halten, und kramte darin herum. »Das hat er, glaub mir,
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