Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Sonnenaufgang bei mir. Dann könnte ich die Ardeur mit ihm befriedigen. Natürlich wäre die Entscheidung dadurch nur aufgeschoben. Nein, das wäre feige, und Feigheit war mir fast mehr zuwider als alles andere.
Das Telefon klingelte. Ich fuhr so heftig zusammen, dass ich die Vase ins Schwanken brachte. Man hätte glatt meinen könne, ich sei nervös oder schuldbewusst oder dergleichen. Beim zweiten Klingeln ging ich ran. Der Anrufer klang kultiviert, redete wie ein Professor, war aber keiner. Teddy war eins fünfundachtzig groß und ein ernst zu nehmender Gewichtheber. Dass er außerdem einen ausgezeichneten Verstand hatte und wortgewandt war, hatte mich bei unserer ersten Begegnung überrascht. Er sah aus wie ein tumber Rausschmeißer und redete wie ein Philosoph. Er war ein Werwolf. Richard hatte den Werwölfen freigestellt, sich der Koalition anzuschließen. »Anita, hier Teddy.«
»Hallo, Teddy. Wie geht’s?«
»Mir geht’s gut, aber Gil nicht. Er wird schon wieder, aber im Augenblick sind wir in der Notaufnahme im Saint Anthony.«
Gil war der einzige Werfuchs in der Stadt. Darum war die Koalition für ihn überlebensnotwendig. Die »Fellkoalition«, wie die Lykanthropen und inzwischen auch die Polizei sie nannten, war ins Leben gerufen worden, um die Verständigung und Zusammenarbeit unter den verschiedenen Wertieren zu fördern, doch inzwischen hatten wir den Aufgabenbereich erweitert und versuchten auch die Verständigung mit der menschlichen Welt zu fördern. Ein großes Fest der Liebe.
»Was ist passiert?«
»Autounfall. Ein Mann hat eine rote Ampel überfahren. Hier sind noch mehr Opfer in der Notaufnahme, die über den Fahrer schimpfen. Wäre Gil ein Mensch, hätte er den Unfall nicht überlebt.«
»Aha. Er hat also den Telefondienst angerufen und deine Handynummer bekommen und –«
»Am Unfallort ist einem Polizisten aufgefallen, dass Gils Verletzungen viel schneller heilten, als es für einen Menschen normal wäre.«
»Mir schwant Schlimmes.«
»Gil war bewusstlos. Darum rief jemand die Nummer an, die in seiner Brieftasche für den Notfall eingetragen war. Er hat keine Familie. Darum stand da die Nummer des Telefondienstes. Bis ich in der Klinik war, war Gil schon mit Handschellen an das Bett gefesselt.«
»Warum?«
»Der Polizist, der ihm nicht von der Seite weicht, fürchtet, Gil könnte gefährlich werden, wenn er zu sich kommt.«
»Mist. Das ist verboten«, sagte ich.
»Theoretisch ja, aber der Beamte darf nach seinem Ermessen Maßnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit ergreifen.«
»So hat er das bestimmt nicht ausgedrückt.«
»Wörtlich hat er gesagt: Solange ich nicht weiß, was der für einer ist, gehe ich auf Nummer sicher.«
Ich nickte, obwohl er mich nicht sehen konnte. »So ähnlich habe ich mir das vorgestellt. Du bist also da, um zu verhindern, dass sie Gil in ein Schutzhaus bringen.« Das war in Wirklichkeit ein Lykanthropengefängnis. Ursprünglich waren diese Einrichtungen geschaffen worden, um frisch gebackenen Lykanthropen als sicherer Ort zu dienen, wo sie während ihrer ersten Vollmondnächte hingehen konnten. Eigentlich eine gute Idee, da die ersten Verwandlungen in eine Tötungsorgie ausarten konnten, wenn nicht andere Lykanthropen auf die Neulinge aufpassten. Die hatten in der ersten Zeit keine Erinnerung daran, was sie in der Vollmondnacht trieben, und ihre menschlichen Charakteranteile waren stark zurückgedrängt, solange sie in Tiergestalt herumliefen. Die Schutzhäuser waren theoretisch eine gute Sache, aber praktisch kam man nie wieder raus. Bei jedem Test bescheinigten sie dem Insassen zu geringe Selbstbeherrschung. Einmal gefährlich, immer gefährlich. Die ACLU führte zwar einen Musterprozess wegen rechtswidriger Inhaftierung ohne ordentliches Gerichtsverfahren, aber noch sollte jeder vermeiden, in ein Schutzhaus gebracht zu werden.
»Die Krankenhausleitung hat ihre Sorge zum Ausdruck gebracht.«
»Brauchst du einen Anwalt vor Ort?«
»Ich habe mir die Freiheit erlaubt, die Anwaltsfirma der Koalition anzurufen.«
»Es überrascht mich, dass sich das so schnell so übel entwickelt. Normalerweise kommen Handschellen und Schutzhaus erst nach einem tätlichen Angriff ins Spiel. Gibt es ein Detail, das du bisher ausgelassen hast?«
Er zögerte.
»Teddy?« Ich schlug denselben Ton an wie mein Vater, wenn er mich verdächtigte, etwas Verbotenes zu tun.
»Das Personal der Notaufnahme trägt volle Schutzkleidung.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher