Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
eine Karte für ein Kind oder einen sehr jungen Menschen, doch in jüngster Zeit fiel bei ihm der Ritter der Kelche.
»Ja, das ist es.«
Schweigen, und ich wusste, sie fächerte die Karten aus. Sie hatte mich schon bewegen wollen, selbst die Karten zu benutzen, um zu sehen, ob ich eine hellseherische Ader hatte, doch für mich blieben es hübsche Bilder. Meine Gaben lagen anderswo.
»König der Stäbe. Micah ist auch bei dir«, stellte sie fest.
»Ja.« Ich konnte sie mir gut vorstellen: mit ihren langen grauen Haaren, meist zum nüchternen Pferdeschwanz gebunden, und in einem ihrer weiten, fließenden Gewänder im Schneidersitz auf dem Bett, wo sie um diese Uhrzeit höchstwahrscheinlich war. Sie war schlank und stark, und ihr Körper entsprach nicht der Haarfarbe oder ihrem Alter, das näher bei sechzig als bei fünfzig lag.
»Der Teufel, Versuchung. Du hast die Ardeur noch nicht befriedigt, nicht wahr?«
Ich fand es immer unheimlich, dass sie das konnte, aber ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt. Es gehörte eben zu Marianne. Sie kreidete mir nicht an, dass ich Tote erweckte, und mich stieß es nicht ab, dass sie sagen konnte, was hunderte Meilen weit entfernt passierte. Manchmal fand ich das sogar sehr praktisch, so wie jetzt.
»Noch nicht.«
»Die Priesterin. Du hast eine Frage an mich.«
»Ja.«
»Du begehst nicht gerade eine Dummheit wie etwa eine Wahl zwischen Micah und Nathaniel?«
»Vielen Dank.«
»Das kannst du mir nicht vorwerfen, Anita. Du komplizierst dein Leben immer wieder.«
Ich seufzte. »Na schön, das ist wahr, aber nur gewissermaßen, nicht genau.«
»Meinetwegen sprich unverständlich.«
»Nicht so wie du vielleicht glaubst«, präzisierte ich.
»Du lässt also nicht einen wegen des anderen fallen.«
»Nein.«
»Na, dann ist es ja gut.« Sie schwieg eine Weile. »Ich höre jetzt auf, Vermutungen zu äußern. Ich habe ein Kreuz gelegt.« Sie zog es vor, die Karten zu legen, ohne sich vorher mein Problem anzuhören, um sich nicht davon beeinflussen zu lassen.
»Ich setze dich in die Mitte, Königin der Schwerter. Die Vergangenheit sind die fünf Pentagramme, vernachlässigte, unbefriedigte Bedürfnisse. Das Göttliche sind die sechs Kelche, das kann bedeuten, dass jemand aus deiner Vergangenheit in dein Leben zurückkehrt, jemand, mit dem du dich sehr verbunden fühlst. Zukunft ist der Ritter der Kelche, Nathaniels Karte. Das Weltliche sind die vier Pentagramme, Festhalten an Dingen, die nicht mehr erforderlich sind, damit dein Leben glatt läuft. Jetzt werden wir die Karten miteinander verbinden.« Ein, zwei Sekunden lang schwieg sie, während sie nachdachte oder betete oder was immer sie tat, um die Karten zum Sprechen zu bringen. Bisher verstand ich alles bis auf die sechs Kelche. »Als Verbindung zwischen dem Weltlichen und der Vergangenheit kommt die Karte der Liebenden. In deinem Liebesleben ist etwas passiert, was dir Angst macht. Angst, verletzt zu werden oder etwas oder jemanden aufzugeben. Als Verbindung zwischen der Vergangenheit und dem Göttlichen kommt der König der Stäbe, gewöhnlich Micahs Karte, doch es könnte Energie bedeuten, eine männliche Präsenz in deinem Leben. Als Verbindung zwischen dem Göttlichen und der Zukunft kommen die zwei Schwerter. Du musst eine Entscheidung fällen, und du hältst sie für schwierig, doch wenn du die Augenbinde abnimmst, kannst du sehen, und du hast, was du brauchst, um es zu tun. Als Verbindung zwischen der Zukunft und dem Weltlichen kommt der Ritter der Stäbe, ein weiterer Mann in deinem Leben. Du ziehst wirklich viel männliche Energie an.«
»Nicht mit Absicht«, sagte ich.
»Scht. Ich bin noch nicht fertig. Auf die vier Pentagramme kommen die sechs Schwerter, unsichtbare Hilfe oder Hilfe aus spiritueller Quelle. Auf die Liebenden kommen die vier Stäbe, die Heiratskarte. Auf die Vernachlässigung kommen die zehn Pentagramme, ein glückliches, wohlhabendes Heim. Hm. Der König der Stäbe und die sechs Kelche stehen für sich, aber die zwei Schwerter haben sich mit der Königin der Stäbe gekreuzt. Nathaniels Karte ist gekreuzt mit den zehn Kelchen, ein glückliches Heim, wahre Liebe. Der Ritter der Stäbe kreuzt sich mit dem Teufel, Versuchung.«
»Gut, das meiste verstehe ich, aber wo ist der Ritter der Stäbe, und warum wird er von der Versuchung bedeckt? Und wer ist die Königin der Stäbe?«
»Ich denke, die bist du.«
»Ich bin immer die Königin der Schwerter.«
»Vielleicht ändert sich das.
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