Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
versehen.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. »Mit welchem?« Er sprach von metaphysischen Fesseln, wie sie mich mit Jean-Claude und Richard verbanden.
»Ich weiß es nicht. Es ist nicht das erste, vielleicht nicht mal mehr das zweite. Das dritte möglicherweise? Ich hatte nie einen menschlichen Diener oder ein gehorsames Tier, war nie Teil eines Triumvirats. Aber du. Sag du es mir.«
»Uns«, korrigierte Nathaniel mit hauchiger, ängstlicher Stimme.
Ich sah in seine geweiteten Augen. Er erwartete von mir, dass ich unsere Lage verbesserte. Das Problem war, dass ich nicht wusste, wie ich das tun sollte. Ich wusste nicht, wie es angefangen hatte. Wie sollte ich es da beenden können? Ich sah das restlose Vertrauen in seinem Gesicht und musste mich abwenden, sonst hätte ich nicht nachdenken können. Ich versuchte mich zu erinnern, wie es gewesen war, als ich das dritte Zeichen empfing. Wir hatten Erinnerungen geteilt, aber sie waren harmlos gewesen, kurze Bilder, wie Jean-Claude an parfümierten Handgelenken saugte, mit Frauen Sex hatte, die viel zu viel Unterwäsche trugen, wie Richard in Wolfsgestalt durch den Wald rannte und eine Welt voller Gerüche wahrnahm. Lauter empfindungsreiche, aber harmlose Erinnerungen. Mir war nie eingefallen, sie zu fragen, welche Erinnerungen sie von mir bekommen hatten. Wahrscheinlich hatte ich es nicht wissen wollen.
»Das dritte Zeichen, glaube ich. Mit Jean-Claude damals waren es nur kurze Erinnerungsfetzen, die hauptsächlich angenehm waren. Wieso sitzen wir in der Therapiehölle?«
»Woran hast du gedacht, kurz bevor die Erinnerungen einsetzten?«, fragte Damian.
»An den Tod«, sagte ich. »Ich hab an den Tod gedacht. Warum, weiß ich nicht.«
»Dann denk an was anderes, schnell.« Er klang ein bisschen panisch, und ich spürte, warum. Die Tür in meinem Kopf begann sich zu biegen, und sobald sie nachgäbe, sollten wir besser einen Plan haben.
»Ich wollte keinem ein Zeichen aufdrücken«, sagte ich.
»Weißt du, wie wir es aufhalten können?«, fragte er.
»Nein.«
»Dann denk an etwas anderes, etwas Schöneres.«
»Bring dich auf glückliche Gedanken«, sagte Nathaniel.
Ich schoss ihm einen Blick zu. »Sehe ich aus wie Peter Pan?«
»Wie wer?«, fragte Damian.
»Ja, ich meine, nein, aber denk nach«, sagte Nathaniel. »Bring dich auf glückliche Gedanken. Sei ein Mal unbeschwert. Ich habe überlebt, was nach … nach Nicholas’ Tod passiert ist. Aber ich will das nicht zweimal durchmachen müssen. Bitte, Anita, denk an etwas Schönes.«
»Warum denkt ihr zwei nicht an etwas Schönes?«
»Weil du der Meister bist, nicht einer von uns«, erwiderte Damian. »Dein Geist, deine Haltung, deine Wünsche werden entscheiden, wie es weitergeht, nicht unsere. Aber um Himmels willen hör auf, an die schlimmsten Ereignisse deines Lebens zu denken, denn ich will an meine nicht erinnert werden. Nathaniel hat recht. Bring dich auf glückliche Gedanken.«
»Glückliche Gedanken«, wiederholte Nathaniel und nahm meine Hand. »Bitte, Anita, glückliche Gedanken.«
»Mir ist gerade der Feenstaub ausgegangen.«
»Feenstaub?«, wiederholte Damian kopfschüttelnd. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Denk nur bitte an etwas Erfreuliches, Beglückendes, irgendetwas.«
Ich versuchte es. Ich dachte an meine Hündin Jenny, die starb, als ich vierzehn war, und eine Woche später aus ihrem Grab gekrochen kam. sie kroch aus ihrem Grab und zu mir ins Bett. Ich erinnerte mich, wie schwer sie war und wie sie nach frischer Erde und angegangenem Fleisch gerochen hatte.
»Nein!«, schrie Damian. Er riss mich zu sich herum und blickte mich in wilder Verzweiflung an. »Nein, ich will nicht sehen, was als Nächstes in meiner Geschichte kommt. Ich will es nicht!« Er packte meine Oberarme und schüttelte mich. Nathaniel schlang die Arme um meine Taille und schmiegte sich an mich.
»Hast du denn gar keine guten Erinnerungen?«, fragte Damian.
Das war wie eines dieser Spiele, wo von einem verlangt wird, an etwas Bestimmtes zu denken oder auch nicht daran zu denken. Ich sollte an etwas Gutes denken, aber bei mir hatte alles schlecht geendet. Meine Mutter war wundervoll gewesen, aber sie starb. Ich hatte meinen Hund geliebt, aber er starb. Ich hatte Richard geliebt, aber er machte mit mir Schluss. Ich hatte im College jemanden geliebt, aber er ließ mich fallen. Ich dachte an Micah und erwartete, dass er mich ebenfalls abservierte. Nathaniel umarmte mich fester, barg das Gesicht an meinem Rücken.
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