Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Händen, und das jede Nacht in aller Öffentlichkeit als Bestandteil der Bühnenshow im Danse Macabre, sodass er selbst dafür keinen privaten Ort hatte. Nicht einmal das wurde ihm zugebilligt. Das hieß essen, um nicht zu verhungern, mehr Bedeutung erhielt es nicht.
In seinem Innern herrschte große Leere.
Ich sollte sein Meister sein. Ich sollte für ihn sorgen, und das war mir anfangs nicht klar gewesen. Ich hatte nicht danach gefragt und war so damit beschäftigt gewesen, mich durch diesen metaphysischen Mist nicht zu eng an einen Mann zu binden, dass mir Damians Elend völlig entgangen war.
»Es tut mir leid, Damian, ich …« Ich weiß nicht, was ich gesagt hätte, denn ich konnte plötzlich nicht mehr denken, als er mit den Fingern über meine Lippen strich. Sie fühlten sich heiß und schwer an, was bisher noch nie so gewesen war.
Seine Augen wurden größer. Ich glaube, er war so überrascht wie ich über mein Empfinden. Oder strahlten meine Lippen ebenfalls Hitze ab? Waren meine Lippen plötzlich prall und gierig wie seine Fingerspitzen, als wären mein Mund und seine Finger mehr als Mund und Finger?
Ich schob die Lippen seiner Berührung entgegen, nur ganz wenig, gerade so viel, dass ich die Schwellung der Fingerbeeren spürte, nicht mal so viel, dass man es als Kuss bezeichnen konnte. Doch es war nicht die Haut der Finger, die ich berührte. Es kam mir vor, als legte ich den Mund an seine intimsten Körperteile. Da war die harte Festigkeit seiner Finger, aber der Geschmack, der Duft gehörte zur unteren Körperregion. Es war, als nähme ich Witterung auf, um der Fährte zu folgen.
Mit bebenden Atemzügen nahm ich seinen Geruch auf und verdrehte die Augen, um in sein Gesicht zu sehen. Er sah aus wie ein Ertrinkender, so als hielte ich bereits in der Hand, was ich eben erst roch. Seine Augen füllten sich mit grünem Feuer, und von meinem Mund übertrug sich das Begehren auf seine Finger, seine Hand, den Arm, die Brust, den Bauch bis zur Mitte seines Körpers, sodass ich ihn dick und schwer und voller Blut spüren konnte, seine Wärme schmeckte, als schmiegte ich den Mund an seine Weichteile. Ich konnte ihn schmecken und fühlen, und als ich die Lippen über seine Fingerspitzen stülpte, etwas viel Kleineres, Härteres in den Mund nahm, verdrehte er die Augen nach oben, die Lider fielen flatternd zu, und mit seinem Atem hauchte er ein einzelnes Wort: »Meister.«
In dem Moment konnte ich es ihm nachfühlen, weil mir einfiel, dass ich schon auf der Empfängerseite eines solchen Kusses gewesen war. Jean-Claude konnte mir Verlangen einflößen, als wäre sein Kuss ein Finger auf meinem Körper, der sich an meinen Nerven entlangbewegte und Dinge berührte, die keine Hand je liebkosen konnte. Zum ersten Mal war ich auf der Geberseite und fühlte, was Jean-Claude in all den Jahren empfunden hatte. Er hatte meine intimste Stelle berührt, lange bevor ich ihm erlaubte, die Hand dorthin zu schieben oder sie auch nur zu sehen. Ich fühlte, was er gefühlt hatte, und es war wundervoll.
Nathaniel nahm meine Hand. Ich hatte ihn tatsächlich vergessen, hatte nichts mehr wahrgenommen als das Gefühl von Damians Haut an meiner. Jetzt berührte mich Nathaniel, und ich fühlte seinen Körper durch meine Handfläche, als gäbe es eine nervliche Verbindung, fühlte seine Hitze, sein Verlangen und … Macht.
Macht loderte aus meinem Mund und meinen Händen in ihre Körper hinein. Es war die Macht, die Jean-Claude durch seine Zeichen in mir geweckt hatte, aber es waren auch meine eigenen Kräfte, meine nekromantischen Kräfte, die sich wie kaltes Feuer durch Damians Leib brannten. Als sie Nathaniel trafen, verwandelten sie sich, wurden zu etwas Warmem, Lebendigem. Von einem Augenblick zum anderen loderte die Macht in uns allen, und was ich dann fühlte, war nicht mehr sexuelle Erregung, sondern Schmerz. Ich war gefangen zwischen Eis und Feuer. Die Kälte war so intensiv, dass sie brannte, und das Feuer brannte sowieso. Es war, als ob die Hälfte meines Blutes zu Eis erstarrte und nicht mehr fließen konnte, sodass ich sterben musste. Und die andere Hälfte meines Körpers enthielt Blut wie flüssiges Gold, das meine Haut nicht halten konnte. Ich schmolz und starb. Ich schrie, und die Männer schrien mit mir. Und es war der Klang ihrer Schreie, nicht meines eigenen, der mich ein Stück weit aus dem Schmerz herauszog.
Dieser befreite Teil wusste, dass wir alle sterben würden, wenn ich mich davon verzehren ließe, und
Weitere Kostenlose Bücher