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Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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das konnte ich nicht hinnehmen. Ich musste einen Weg finden, die Gewalt darüber zu erlangen, oder wir würden vernichtet werden. Doch wie soll man über etwas Gewalt erlangen, das man gar nicht versteht? Wie beherrscht man etwas, was man nicht sehen, nicht anfassen kann? In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich gerade nichts berührte, dass ich die Männer vor Schmerzen losgelassen hatte. Meine Haut spürte sie nicht mehr, doch die Verbindung zwischen uns war noch da. Einer von uns oder wir alle hatten versucht, uns zu retten, indem wir losließen. Doch dies war keine Magie, die sich so leicht besiegen ließ. Ich kniete allein am Boden, berührte keinen und konnte sie dennoch fühlen, fühlte ihr Herz in der Brust, als könnte ich die Hand danach ausstrecken und die Finger um den warmen, pumpenden Muskel schließen, als könnte ich ihr Fleisch durchdringen wie Wasser. Das Bild war so plastisch, so real, dass ich den Schmerz zurückdrängen konnte und die Augen aufmachte.
    Nathaniel war halb zusammengekauert und streckte die Arme nach mir aus, als wäre ich es, die sich zurückgezogen hatte. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht schmerzverzerrt. Damian kniete da mit leerem Gesicht. Hätte ich seinen Schmerz nicht fühlen können, hätte ich nicht gewusst, dass sich sein Blut in Eis verwandelte.
    Nathaniel tastete nach mir wie ein Kind im Dunkeln und fand meine Hand, doch sowie er mich berührte, ließ das Brennen nach. Ich ergriff seine Hand, und es schmerzte nicht mehr. Es war noch heiß, aber das kam vom Puls des Lebens, als ob die Hitze eines Sommertages noch in uns wäre.
    Die andere Hälfte meines Körpers brannte noch vor Kälte. Doch auch das hörte auf, als ich Damians Hand nahm. Die Magie, in Ermangelung eines besseren Wortes, strömte durch mich hindurch, die Kälte des Grabes und die Wärme des Lebens, und ich kniete in der Mitte wie zwischen Leben und Tod gefangen. Aber als Nekromant war ich daran gewöhnt.
    Ich erinnerte mich an den Tod. An das Parfüm meiner Mutter, »Hypnotique«, an den Geschmack ihres Lippenstifts, als sie mich zum Abschied küsste, an den süßen, pudrigen Geruch ihrer Haut. Ich erinnerte mich an das glatte Holz unter meinen kleinen Händen, den Sarg meiner Mutter, an den Nelkenduft des Grabgestecks. Da war ein Blutfleck auf dem Wagensitz und ein Oval von Sprüngen in der Windschutzscheibe. Ich befühlte den eingetrockneten Blutfleck und bekam hinterher Albträume, in denen das Blut immer nass und das Wageninnere dunkel war und ich meine Mutter schreien hörte. Als ich den Blutfleck zu sehen bekam, war er längst eingetrocknet, und meine Mutter war gestorben, ohne dass sie sich von mir verabschieden konnte, und ich hatte sie gar nicht schreien gehört. Sie war auf der Stelle tot gewesen und hatte wahrscheinlich überhaupt nicht geschrien.
    Ich erinnerte mich an das raue Sofa, und es roch nach Staub, weil nichts mehr sauber gemacht wurde, nachdem meine Mutter von uns gegangen war. In dem Moment wurde mir klar, dass das nicht meine Erinnerung war. Denn die deutsche Mutter meines Vaters war zu uns gezogen und hatte alles peinlich sauber gehalten. Aber ich war klein und schmiegte mich in die staubige Couch in einem Zimmer, das ich nicht kannte, wo das einzige Licht von dem flimmernden Fernseher kam. Da war auch ein Mann, eine große, dunkle schattenhafte Gestalt, und er schlug einen Jungen mit der Gürtelschnalle. In einem fort sagte er: »Schrei für mich, du kleiner Bastard, schrei für mich.«
    Blut quoll aus dem aufgeplatzten Rücken des Jungen, und ich schrie. Ich schrie an seiner statt, weil Nicholas nie schreien wollte. Ich schrie für ihn, und die Prügel hörten auf.
    Ich erinnerte mich, wie Nicholas an meinem Rücken lag und mir übers Haar strich. »Wenn mir etwas passiert, versprich mir, dass du dann wegläufst.«
    »Nicholas …«
    »Versprich es mir, Nathaniel, versprich es mir!«
    »Ich verspreche es, Nicky.«
    Nur im Schlaf war ich sicher, sonst nirgendwo, denn dann bewachte mich Nicholas und der Mann konnte mir nichts tun. Nicholas ließ das nicht zu.
    Das Bild zersplitterte. Es klirrte, als sei ein Spiegel zerbrochen. Ich wagte ängstliche Blicke. Der Mann ragte vor mir auf. Dann der erste Schlag, der Fall auf den Teppich, Blut auf dem Teppich, mein Blut. Nicholas in der Tür mit einem Baseballschläger. Der Schläger traf den Mann. Dann sah ich seine Silhouette vor dem flimmernden Fernseher. Er hielt den Baseballschläger in den Händen. Blut spritzte gegen die

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