Schwarzer Engel
durchs Labyrinth zu seiner Hütte in der absurden Hoffnung, er wäre zurück und wir könnten wenigstens enge Freunde werden. Die Hütte und ihr schöner Garten sahen allmählich vernachlässigt aus, deshalb schickte ich die Gärtner von Farthy zum Aufräumen hinüber. Eines Tages, Jillian schlief immer noch oben, erzählte mir Tony beim Frühstück, er habe Nachricht von einem seiner Geschäftsführer erhalten. Demnach besichtigte Troy der Reihe nach jede Fabrik in Europa. »Das ist ein gutes Zeichen.« Tony versuchte sich zu einem Lächeln durchzuringen. »Solange er sich in der Welt umsieht, heißt das wenigstens, er liegt nicht irgendwo in einem Bett und wartet auf den Tod.« Irgendwie waren Tony und ich Verbündete in einer gemeinsamen Sache: Troy wieder nach Hause zu bringen und ihm beim Überleben zu helfen. Tony hatte meiner Mutter etwas Schreckliches angetan, egal ob sie ihn dazu getrieben hatte oder nicht. Trotzdem wurde diese Tatsache täglich unwichtiger, während ich mit dem Collegealltag kämpfte und derart intensiv lernte, daß ich manchmal völlig erschöpft ins Bett fiel. In diesem Punkt war Tony eine große Unterstützung, denn er half mir über schulische Hürden, die ich allein nicht genommen hätte.
Jillian war nur noch ein Schatten ihres früheren Ichs. Die volle Wahrheit über ihre Tochter war aus dem Sarg ans Licht gebracht worden, und das ließ Jillian in der Versenkung verschwinden. Sie hatte so gern an Partys und karitativen Veranstaltungen teilgenommen, aber das war jetzt unwichtig.
Ihre Selbsttäuschung fesselte sie ans Bett, deshalb war es ihr auch egal, wie sie aussah. Unentwegt schrie sie, Leigh solle zurückkommen und ihr verzeihen, daß sie ihr nicht zugehört, sie nicht verstanden und sich nicht um sie gekümmert habe.
Aber für Leigh war natürlich jede Rückkehr zu spät.
Trotzdem, das Leben ging weiter. Ich kaufte wieder neue Kleider ein und schrieb an Tom und Fanny. Jedesmal legte ich für beide einen Scheck dazu. An einem kalten Novembertages wollte gerade wieder schneien – kam ein Brief von Fanny: Liebe Heaven,
Dein Egoismus hat mich dazu gezwungen, meinen reichen, alten Knacker Mallory zu heiraten. Jetzt brauch’ ich Dein stinkiges altes Taschengeld nicht mehr. Mallory hat ‘n großes Haus, so hübsch wie eines aus den irren Wohnungs-Illustrierten. Er hat auch noch ‘ne verrückte, gemeine alte Ma mitgebracht, die mir ‘n Tod an Hals wünscht. Macht mir aber nix aus. Der alte Fischkopf wird eh jeden Tag abkratzen, also juckt’s mich auch nich, dasse mich nich leiden kann. Mallory versucht mir beizubringen, mich wie ‘ne Lady zu benehmen und auch so zu reden.
Ich würd’ ja meine Zeit nich mit so was Albernem verplempern, wenn ich nicht sicher war’, eines Tages noch mal Logan Stonewall unter die Augen zu laufen. Und wenn ich dann fein sprechen und mich benehmen kann, verliebt er sich vielleicht doch noch in mich. Ich wollt ja schon immer, daß er mich mag. Wenn er erst mal mir gehört, dann kannst Du ihn in Wind schreiben, für immer.
Deine Dich liebende Schwester Fanny
Fannys Brief verwirrte mich. Sie hatte sich immer schadlos gehalten und alle männlichen Wesen mehr oder weniger wie Maschinen behandelt. Wer hätte je geglaubt, daß gerade Fanny sich so in Logan verlieben würde. Dabei war er derjenige gewesen, der sie am meisten verachtet hatte.
Fanny schrieb nur einen einzigen Brief, Tom dafür viele: Ich habe das Paket mit Geldscheinen gefunden, daß Du Großpapa gegeben hast. Sag mal ehrlich, Heaven, warst Du denn noch bei Sinnen? Er hat’s in seine Schnitzschachtel unter sein ganzes Holz gelegt. Ist schon ein erbärmlicher alter Quengler und will immer gerade das, was er nicht hat. Wenn er dann hier ist, jammert er nach seinen Bergen, wo Annie leben möchte. Und sobald er ungefähr zwei Wochen in den Bergen ist, dann will er bei seinen »Kinnern« sein. Ich denke, er fühlt sich dort oben einsam, wenn nur morgens die alte Frau kommt und für den ganzen Tag Essen herrichtet. Gott, Heavenly, was soll man bloß mit so jemandem machen?
Ohne Troy wurde Farthy nur noch zu einem Platz fürs Wochenende. Mit Tony sprach ich so wenig wie möglich, aber trotzdem tat er mir manchmal leid, wenn er so einsam durch die leeren Hallen seines riesigen Hauses schlenderte. Ich machte weiter mit meinem Vorhaben und erinnerte mich selbst täglich daran, daß ich mit einem bestimmten Ziel nach Boston gekommen war. Darauf konzentrierte ich mich jetzt, in dem Glauben,
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