Schwarzer Engel
irgendwann einmal das Glück zu finden, das mir zustand.
Die Jahre gingen schnell vorbei, und nur in großen Abständen schrieb Troy nach Hause, und dann immer nur an Tony. Lange Zeit waren Kummer und Unglücklichsein für mich reserviert. Aber dann scheint die Sonne wieder, der Wind geht, und der Regen macht das Gras frisch. Man beobachtet, wie die Blumen, die man im Herbst gepflanzt hat, aufgehen, und ganz allmählich ist man nicht mehr so traurig und unglücklich. Ich hatte jetzt meinen eigenen Traum, meine Zeit am College. Einen sehr stillen, unaufdringlichen, aber nett aussehenden jungen Mann nahm ich zu einer Begegnung mit Tony nach Hause. Ja, der Sohn eines Senators war ideal, auch wenn er mich ziemlich langweilte. Ein, zweimal sah ich Logan in der Nähe der Universität, wir lächelten uns zu und wechselten ein Paar Worte, und ich fragte ihn, ob er etwas von Tom gehört habe. Aber Logan bat mich nie um ein Treffen.
Jillian tat mir leid, deshalb gewöhnte ich mir an, sie so oft zu besuchen, wie es mein hektischer Tagesablauf zuließ. Ich fing an, sie »Großmutter« zu nennen, aber offensichtlich nahm sie es nicht zur Kenntnis. Allein das genügte, um mir klarzumachen, daß sich in ihr etwas drastisch verändert hatte.
Ich bürstete und legte ihr die Haare und erledigte viele Kleinigkeiten für sie, aber auch dies registrierte sie nicht. Und immer saß, so unauffällig wie möglich, eine Pflegerin in der Ecke. Tony hatte sie angestellt, um darauf zu achten, daß sich Jillian nichts antat.
Oft dachte ich daran, Großpapa zu besuchen, der öfters zwischen Georgia und den Willies hin- und herpendelte. Aber es war noch immer bedrohlich für mich, daß Pa bei ihm sein würde. Denn ich war noch nicht fähig dazu, ihm gegenüberzutreten. Wenn ich an Stacie dachte, fiel mir immer der nette kleine Drake ein. Ihm schickte ich alle möglichen tollen Geschenke. Innerhalb weniger Tage schrieb mir dann Stacie einen Brief und bedankte sich, daß ich an Drake gedacht hatte. Denn der glaubte, er wäre ein besonderer Glückspilz, weil er das ganze Jahr über Spielzeug bekam und nicht bis Weihnachten warten mußte.
»Du könntest mir bei Tatterton Toys sehr helfen«, sagte Tony immer wieder. »Das heißt, falls du deine ehrgeizige Absicht, eine zweite Miss Marianne Deale zu werden, aufgegeben hast.« Unverwandt sah er mich an. »Für mich wäre es wunderbar, wenn du deinen Familiennamen offiziell in Tatterton ändern würdest.«
Merkwürdig, wie ich das aufnahm. Ich war nie stolz darauf gewesen, eine Casteel zu sein. Aber trotzdem wollte ich als eine Casteel mit einem Abschlußzeugnis vom College nach Winnerow zurückkehren. Ich wollte ihnen beweisen, daß wenigstens ein lumpiger Casteel nicht so dumm gewesen war, um wie alle anderen im Gefängnis zu enden. Während ich über Tonys Vorschlag nachdachte, wurde mir klar, daß ich momentan eigentlich nicht wußte, was ich für mich selbst vorhatte. Ich war dabei, mich in jeder Hinsicht zu verändern, ganz allmählich. Aber wenn ich träumte, dann träumte ich von Troy. Troy, der irgendwo war, mich brauchte und immer noch liebte. Und am Morgen erwachte ich dann mit Tränen auf dem Gesicht. Wenn ich nur aufhören könnte, mich um Troy zu quälen, würde ich sicher fähig sein, das Leben in gewisser Weise zu akzeptieren. Und dann bereitete mir Tony eines schönen Tages eine tolle Überraschung.
Es war am vierten Juli, und ich hatte noch ein Jahr College vor mir. »Wir machen ein fabelhaftes Picknick am Swimmingpool, zusammen mit ein paar Gästen fürs Wochenende, über die du dich vermutlich riesig freuen wirst.
Jillian wirkt ein bißchen besser, also wird sie auch dabei sein –
neben anderen besonderen Gästen.«
»Wer sind diese besonderen Gäste?«
»Du wirst erfreut sein«, versicherte er mir mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Zwanzig und mehr Gäste saßen rund um den Pool, als ich aus meinem Zimmer herunterkam. Zuerst ging ich zu Jillian, um sie auf die Wange zu küssen. Etwas verwirrt lächelte sie mich an. »Was feiern wir denn, Heaven?« fragte sie und starrte dabei alte Freunde wie Wildfremde an.
In einem anderen Teil der Terrasse erblickte ich Tony; er stand dort im Gespräch mit einer ziemlich dicken, kleinen Frau und mit deren noch dickeren Mann. Irgendwie kamen sie mir überaus vertraut vor, und mein Herz fing nervös zu klopfen an.
O nein, nein. Er konnte doch nicht einfach so eine Versöhnung inszenieren, ohne mich vorzuwarnen.
Und doch hatte er es
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