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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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unbeteiligt wie möglich lassen. Bei einem raschen Seitenblick bemerkte ich einen Anflug von Mitleid in seinen Augen, als ob er weit mehr über meinen miserablen Hintergrund vermutete, als ich ihm erzählt hatte. Aber nicht in Millionen Jahren würde er den ganzen Schrecken von Armut ermessen können. Bevor er zuviel erahnte, lächelte ich rasch.
    »Ich bin eine ausgezeichnete Schwimmerin.«
    »Schwimmen ist gut für die Figur. Hoffentlich wirst du unser Hallenbad diesen Winter weiter benutzen.«
    Unbehaglich nickte ich.
    Direkt über uns konnte ich Jillians Satinpantoffeln leise klappern hören, während sie ihren komplizierten Schönheitsplan vor dem Ausgehen befolgte. Einen anderen Plan hatte sie, um sich für Partys fertig zu machen und den längsten und langweiligsten zog sie vor dem Bettgehen durch.
    »Hast du Jillian schon von meinem Bleiben erzählt?« fragte ich, während ich die Decke musterte.
    »Nein, bei Jillian muß man nicht besonders aufpassen oder ihr ausführliche Erklärungen geben. Ihre Aufmerksamkeit reicht nicht weit, sie hängt ihren eigenen Gedanken nach. Wir lassen es einfach laufen.«
    Tony lehnte sich zurück und faltete die Hände unterm Kinn.
    Inzwischen wußte ich, es war seine Körpersprache, um zu zeigen, daß er die Situation unter Kontrolle hatte. »Jillian wird sich an deine Anwesenheit gewöhnen und auch daran, daß du am Wochenende kommst und gehst – so wie man sich an das Brandungsgeräusch am Strand gewöhnt. Allmählich dringst du in ihre Tage, in ihr Bewußtsein ein. Mit deiner angenehmen Art und deiner Bereitschaft, ihr zu gefallen, wirst du sie gewinnen. Du darfst nur nie vergessen, dich ja nie mit ihr zu messen. Gib ihr keinen Grund, irgendwie zu vermuten, du machtest dich über ihre Versuche lustig, jeden über ihr Alter zum Narren zu halten. Denke immer nach vor dem Reden und vor dem Handeln. Jillian besitzt eine ganze Sammlung von Freunden, die das ›alterlose‹ Spiel ebenso zu spielen wissen wie sie. Aber du wirst bemerken, daß sie der Meisterschauspieler ist. Ich habe dir diese Liste ihrer Freundinnen, ihrer Männer und Kinder und auch ihrer Hobbys, Vorlieben und Abneigungen aufgeschrieben. Lies sie gründlich durch! Sei nicht allzu verbindlich, sei schlau und mache ihnen nur Komplimente, wenn sie’s verdienen. Wenn sie über Themen sprechen, von denen du nichts verstehst, sei still und höre aufmerksam zu. Du wirst staunen, wie sehr die Leute einen guten Zuhörer schätzen. Sie werden dich für einen glänzenden Unterhalter halten, wenn du die richtigen Fragen, wie z. B. erzählen Sie weiten, stellst – obwohl du vielleicht kein einziges entscheidendes Wort gesprochen hast.«
    Er rieb seine Handflächen aneinander, während er mich wieder von oben bis unten musterte. »Jawohl, mit der richtigen Kleidung wirst du jetzt auch akzeptiert werden. Gott sei Dank mußt du keinen dieser schrecklichen Provinzdialekte ablegen.«
    Und schon versetzte er mich mit seiner langen Liste von Jillians Freunden in Panik. Sie glichen Hürden, die ich überspringen mußte. Jedes seiner Worte entfernte mich offensichtlich immer weiter von meinen Brüdern und Schwestern. Würden sie mir alle verlorengehen, jetzt, da ich für mich selbst einigermaßen festen Boden unter den Füßen gewonnen hatte? Weder Fanny noch Tom konnten als Freunde aus Boston durchgehen, nicht mit ihrem breiten Provinzdialekt.
    Und dann war da noch mein eigenes Problem. Wenn ich mich zu verletzt fühlte, könnte ich leicht zu etwas Falschem verleitet werden. Nur eine Person aus meiner Vergangenheit würde Tony nicht mißtrauisch machen, und das war Logan. Logan mit seinem klaren, ebenmäßigen guten Aussehen, seinen ehrlichen, aufrichtigen Augen. Aber Logan war keiner, der wegen seiner Abstammung ein trügerisches Spiel spielen würde. Er war ein Stonewall und stolz darauf, ganz anders als ich. Ich schämte mich für meinen Nachnamen und meine Herkunft.
    Tony beobachtete mich. Ich bewegte mich unruhig im Schaukelstuhl.
    »Bevor Jillian jetzt herunterkommt und uns mit Gerede über ihre Pläne und ihre Kleidung unterbricht, schau dir diesen Stadtplan an. Miles wird dich am Montagmorgen zur Schule fahren, und er oder ich werden dich jeden Freitagnachmittag gegen vier abholen. Wenn du später alt genug bist, kannst du selbst hin- und zurückfahren. Welches Auto hättest du denn gerne, sagen wir mal zum achtzehnten Geburtstag?«
    Der Gedanke, ein eigenes Auto zu besitzen, ließ mich vor Begeisterung zittern. Eine

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