Schwarzer Engel
meine Mutter gesagt?« fragte ich völlig verblüfft.
»Sie ahmte deine Großmutter nach, die keinen Geschäftsmann, sondern einen Spielgefährten wollte. Kurze Zeit, während sie exquisite Puppenkleider nähte, hatte ich die Hoffnung, sie würde eines Tages tatsächlich ein Teil von Tatterton Toys werden.«
Kurz darauf war ich eilig zu Troys Steinhütte geeilt, wo ich mich am allerliebsten aufhielt. Schon die Tatsache, bei ihm zu sein, war ein reines Vergnügen für mich. Warum hatte Logan mein Herz nie so rasch schlagen lassen? Während ich auf dem dicken Teppich vor Troys heißem Kaminfeuer lag, schrieb ich an Tom und bat ihn, mir einen Rat zu geben, wie ich mich Logan wieder nähern könnte, ohne daß es allzu aufdringlich wirkte.
Endlich, als ich schon glaubte, Tom würde meinen letzten Brief nie beantworten, lag einer in meinem Postschließfach: Ich kapiere Deine Ängste nicht. Ich bin sicher, Logan wird über einen Anruf von Dir entzückt sein und irgendwo ein Treffen arrangieren. Nebenbei, habe ich in meinem letzten Brief vergessen, Dir zu erzählen, daß Pas neue Frau ein Baby erwartet. Von Fanny direkt habe ich nichts gehört, aber ich habe noch immer ein paar alte Freunde in Winnerow, die mich auf dem laufenden halten. Offensichtlich ist die gute Frau des Reverends nach Hause gereist, um bis zur Geburt ihres ersten Kindes bei ihren Eltern zu bleiben. Wie steht’s mit Dir, hast Du Nachricht von Fanny oder von den Leuten, die Unsere-Jane und Keith haben?
Nein, kein einziges Wort! Und da war also Pa, setzte munter noch mehr Kinder in die Welt, wo er sich doch wünschen müßte, nie mehr eines zu sehen! Nicht nach allem, was er verbrochen hatte! Das Gefühl, daß Pa Schlechtes tun könne und nie bestraft würde, wenigstens nicht genug, tat weh! Die Erinnerung an meinen kleinen Bruder und meine kleine Schwester, die für mich so lebensnotwendig gewesen waren, wurde immer schwächer, und das tat mir weh. Mein Herz spürte nicht mehr die quälende Angst, sie zu verlieren – und das durfte ich nicht zulassen! Troy erzählte mir, er habe Kontakt zu seiner Anwaltskanzlei in Chicago aufgenommen, und diese würden bald mit ihren Nachforschungen beginnen.
Ich mußte meinen brennenden Zorn am Leben halten, ihn immer wieder anstacheln und der Zeit nie gestatten, die Wunden, die Pa geschlagen hatte, zu heilen. Wieder vereint, alle fünf Casteel-Kinder unter einem Dach – das war mein Ziel.
Als ich endlich den Mut fand, Logans Nummer zu wählen, klang seine Stimme, wie ich schon befürchtet hatte, längst nicht so warm und teilnahmsvoll wie zu der Zeit, als er mich noch liebte. »Ich bin froh über deinen Anruf, Heaven«, meinte er kühl und distanziert. »Ich würde mich gern mit dir diesen Samstag treffen, aber es wird nur kurz möglich sein, denn bis nächste Woche muß ich eine große Arbeit abliefern.«
Schande über ihn, doppelt Schande über ihn! Der kühle Tonfall in seiner Stimme hatte mich gekränkt, es war derselbe, den seine Mutter immer hatte, wenn sie mich unglücklicherweise mit ihrem einzigen, herzallerliebsten Sohn ertappte. Loretta Stonewall haßte mich und hatte nur schwach versucht, ihre Mißbilligung über die liebevolle Beschäftigung ihres Sohnes mit Hillbilly-Pack zu verbergen. Sogar ihr Mann war ihrem Beispiel gefolgt, obwohl er einige Male über die offensichtliche Feindseligkeit seiner Frau entsetzt gewesen war. Aber ich würde Logan an diesem Nachmittag treffen, egal wie kühl er geklungen hatte. Zwei Stunden brauchte ich, um mich fertigzumachen – ich mußte einfach Spitze aussehen.
Mein Taxi kam, und Tony stand am Haupteingang und winkte, während ich auf einen der Lieblingstreffpunkte der Jungs von B. U. zusteuerte, das Boar’s Head Café.
Alle möglichen Schwierigkeiten auf der Suche nach Logan hatte ich mir überlegt, sogar, daß er so tun würde, als ob er mich nicht wiedererkennen oder überhaupt nicht kennen würde. Denn ich hatte nichts unternommen, um auch nur annähernd so schäbig auszusehen wie das Mädchen aus den Bergen, für das ich mich geschämt hatte. Und dann bemerkte ich Logan, der am Fenster des Cafés saß. Er scherzte und unterhielt sich intensiv mit einem hübschen Mädchen, das ihm gegenübersaß. Diese Möglichkeit war mir nie in den Sinn gekommen, zumindest nicht ernsthaft, daß er nämlich noch eine andere mit ernsten Absichten treffen könnte. Da stand ich also, während der Schnee leise fiel, und wußte nicht, was ich jetzt tun sollte. Der Oktober war
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