Schwarzer Engel
konnte ein Mädchen aus einer reichen und prominenten Familie, mit so einem kultivierten Hintergrund, auf einen Mann wie meinen Vater hereinfallen.«
Troys Augen wirkten wie tiefe Waldseen. Man konnte sich darin fallenlassen.
Seine Großvater-Uhr begann acht zu schlagen, und der Schneesturm hielt noch immer an. Eine Spieldose, die ebenfalls eine Uhr gewesen sein mußte, fing an, eine bezaubernde Melodie zu spielen, während nacheinander zierliche Figuren aus einer kleinen Tür herauskamen. »So eine Uhr habe ich noch nie gesehen.«
»Ich besitze eine Sammlung antiker Uhren«, murmelte Troy abwesend, wobei er sich zur Seite drehte, um mich mit stillem Verständnis betrachten zu können.
»Ich habe schon viel zuviel von deiner Zeit gestohlen. Jetzt muß ich nach Hause, damit Tony wenigstens nicht allzu viele Fragen stellt.«
In Wirklichkeit erwartete ich seinen Protest, daß es unmöglich wäre zu gehen, aber diesmal stand er auf und lächelte mich an. »Nun gut. Es gibt einen Weg, von dem ich eigentlich nicht wollte, daß du ihn kennst. Hier herrscht ein rauhes Klima, und als sich Farthy mit den Stallungen und Scheunen ringsherum ausdehnte, dachten meine praktischen Vorfahren auch an den starken Schneefall. Sie ließen zu den Ställen und Scheunen Tunnels graben, um sich um die Pferde und die anderen Tiere kümmern zu können. Vor langer Zeit befand sich anstelle dieser Hütte eine Scheune mit tiefem Keller – eine Tatsache, die auch jetzt noch dieser Hütte bei unwirtlichem Wetter Zugang zum Haupthaus verschafft. Ich hätte dir das schon früher erzählen können, aber ich wollte, daß du bleibst und mir Gesellschaft leistest.« Seine Augen glitten von meinem Gesicht und wurden leicht abwesend. »Es ist sehr seltsam, wie wohl ich mich in deiner Gegenwart fühle, da du doch fast noch ein Kind bist.« Wieder fixierten mich seine durchdringenden Augen. »Wenn du in den Keller von Farthy gehst und die westliche Tür, die grün gestrichen ist, benutzt, bringt dich der Tunnel zum Keller unter dieser Hütte. Die übrigen Türen, blau, rot und gelb, bringen dich nirgends hin, denn Tony hat diese Tunnels zuschütten lassen. Er dachte, daß zu viele – wenn auch noch so geheime – Zugänge Farthy für Diebe anfällig machen würden.«
Aus seinem Gästezimmer brachte er meinen Mantel und die Stiefel. Er hielt mir den Mantel, während ich in die Ärmel schlüpfte, und als er mir den Pelz sachte auf die Schultern hatte gleiten lassen, verharrten seine Hände kurze Zeit auf mir. Er stand hinter mir, so daß ich seine Miene nicht lesen konnte.
Als ich mich umdrehte, lächelte er, bevor er nach meiner Hand griff und mich zu einer Tür in seiner Küche führte. Diese ging zu einer tiefen, hölzernen Treppe, die uns beide in den feuchtkalten, riesigen Keller brachte. Und dann zeigte mir Troy die grüne Tür mit dem Torbogen. »Ich werde dich zum Haus begleiten«, meinte er, ging voran und hielt noch immer meine Hand. »Als kleiner Junge haben mich diese unterirdischen Tunnel immer erschreckt. Jedes Mal, wenn der Tunnel abbog, wartete ich auf Monster oder Geister, eben irgend etwas, was ich nicht sehen wollte.«
Sogar jetzt noch, als er voranging und mir mit seiner warmen Hand Sicherheit gab, verstand ich genau, was er meinte. Es erinnerte mich an einen Kohleschacht, den Tom und ich einmal trotz der Schilder »Gefahr! Betreten verboten!« betreten hatten.
Troy ließ meine Hand erst los, als wir am Ende des kalten Tunnels zu einer schmalen, hohen Treppe gekommen waren, die nach oben führte. »Du wirst im rückwärtigen Teil der Küche herauskommen«, flüsterte er. »Hör dich sorgfältig um, ehe du die Tür ganz oben öffnest. Denn Rye Whiskey arbeitet oft noch sehr spät.« Dann streichelte er meine Wange und fragte: »Wie wirst du’s Tony erklären?«
»Keine Bange, ich bin eine gute Lügnerin, erinnerst du dich?« Und mit diesen Worten warf ich ihm meine Arme um den Nacken, aber ich küßte ihn nicht, ich preßte nur meine kalte Wange an seine. »Ohne dich wüßte ich nicht, was ich tun sollte.«
Einen kurzen, erregenden Augenblick lang drückte er mich fest an sich. »Denke nur die ganze Zeit daran, daß du Logan liebst und nicht mich.«
Ich rannte die Stufen hinauf, und den ganzen Weg tat es weh, weil er es für so wichtig gehalten hatte, mich zu warnen, Distanz zu bewahren. Was war bloß falsch an mir? Ich brauchte jemanden wie Troy, brauchte verzweifelt seine Sensibilität und sein Verständnis. Es gab Zeiten,
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