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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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die dunklen, düsteren Kohleminen und die flackernden Lichter. Besser als Schnaps schwarz zu brennen und zu verkaufen und dem Staatsanwalt die Stirn zu bieten. All das war tausendfach besser als diese scheußliche Berghütte und die ganzen anderen Umstände, wo ein schlechter Ruf nie starb und vergangene Fehler einem immer auf der Spur waren. Fast bedauerte ich den dummen Jungen. Gut für Pa, das Ganze, weil er jetzt zu alt für höhere Ziele war. Aber gar nicht in Ordnung für Tom, nichts von allem, denn irgendwann einmal würde es ihm langweilig werden, wenn er von den Eindrücken und Gerüchen die Nase voll hätte. Ich war nicht gekommen, um mich verführen zu lassen.
    Zuerst brauchte ich eine Eintrittskarte, und dazu mußte ich mich in einer Reihe anstellen, die sich langsam auf ein hohes Podest zu bewegte. Darauf stand ein Mann, der die Höhepunkte der Zirkusvorstellung, die drinnen stattfand, anpries. Ich wußte, wer er war, sogar noch ehe ich seine Stimme hörte. In der Schlange festgehalten, starrte ich zu ihm hinauf, zu seinen Füßen, die in fast kniehohen schwarzen Lacklederstiefeln steckten. Dann kamen seine kräftigen, langen Beine in so knapp als möglich sitzenden weißen Hosen. Seine Männlichkeit war deutlich zu sehen, sie erinnerte mich an die Schulzeit, in der die Kinder bei Bildern von Herzögen, Generälen und anderen Berühmtheiten immer gekichert hatten, die sich selbst ganz offen in engen Hosen, wie die von Pa, zur Schau stellten. Sein scharlachroter Frack war an den Ärmeln mit goldenen Streifen verziert, auf den Schultern saßen Epauletten, und er wurde mit einer Doppelreihe goldener Knöpfe geschlossen. Oberhalb seiner frisch gestärkten weißen Krawatte befand sich dasselbe hübsche Gesicht wie in meiner Erinnerung, bemerkenswert unverändert. Seine Sünden hatten sich nicht in seinem Gesicht abgezeichnet, und auch die Zeit hatte ihm nicht dasselbe wie bei Großpa geraubt. Nein, kräftig und eindrucksvoll stand Pa da, voll Energie und gesünder, als ich ihn je gesehen hatte. Er wirkte besser gepflegt, sein Gesicht war so glatt rasiert, daß nicht einmal ein Schatten von Barthaaren zu entdecken war. Seine schwarzen Augen funkelten und gaben ihm ein anziehendes Aussehen mit großer Ausstrahlung. Ich merkte, wie Frauen zu ihm hinaufstarrten wie zu einem Gott.
    Ab und zu nahm er seinen schwarzen Zylinder ab und benutzte ihn für großartige Gesten. »Fünf Dollar, meine Damen, meine Herren, mehr kostet’s nicht, eine fremde Welt zu betreten, eine Welt, von der sie vielleicht nie mehr die Chance haben, sie zu erobern… eine Welt, in der Mensch und Tier einander herausfordern, in der schöne Frauen und kühne Männer ihr Leben in der Luft riskieren, alles zu Ihrer Unterhaltung. Zwei Dollar und fünfzig Cents für Kinder unter zwölf, Babys auf dem Arm sind frei! Kommen Sie und sehen Sie Lady Godiva auf ihrem Pferd reiten, wie sie vom Pferd aus in die Luft springt, um fünfzehn Meter höher zu landen… und ihr Haar ist in Bewegung, meine Herren, es bewegt sich!«
    Immer weiter schwatzte er, während die Kasse einen Meter rechts von ihm klingelte und den Geldstrom melodisch begleitete. Ich hörte von den gefährlichen Abenteuern des Königs des Dschungels, der sich in Bälde zum Peitschenknall drehen würde, während ich mich zentimeterweise immer mehr Pa näherte. Bis jetzt hatte er mich noch nicht gesehen. Auf meinem Kopf trug ich einen breitrandigen Strohhut, der von einem blauen, unterm Kinn gebundenen Seidentuch festgehalten wurde. Außerdem hatte ich eine Sonnenbrille dabei. Aber es war Nacht und irgendwie hatte ich vergessen, die Gläser aufzusetzen. Dann war ich da, am Anfang der Reihe, und Pa sah zu mir herunter. »Also, ein junges Ding wie du muß doch nicht sein Licht unter den Scheffel stellen«, rief er laut, beugte sich vornüber und zupfte an dem blauen Seidenschal. Mein Hut fiel nach hinten. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter auseinander.
    Ich hörte, wie er scharf einatmete.
    Ich merkte seinen Schock. Einen Augenblick lang wirkte er sprachlos, wie gebannt. Aber dann lächelte er. Er reichte mir meinen Hut mit dem daran befestigten blauen Seidenstück.
    »Nun«, legte er dröhnend los, damit’s alle hören konnten,
    »solch ein hübsches Gesicht sollte man nie in den Schatten stellen…« – und damit war ich entlassen.
    Wie schnell er seine Überraschung verbergen konnte! Wieso war ich dazu nicht fähig? Meine Knie wurden weich, meine Beine zitterten. Ich wollte schreien,

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