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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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schimpfend, stürzte meine Schwester Fanny, sechzehn Jahre alt, über den kleinen Zwischenraum, der uns trennte, und warf sich in meine Arme.
    »Heaven, du bist’s! Du bist echt kommen! Hast doch was für mich übrig!« Eine kurze Umarmung, ein Schmatz auf meine Wange, dann stieß sie sich ab und starrte an sich selbst hinunter. »Verdammter Regen, hat mein bestes Kleid ruiniert!«
    Fanny drehte sich und riß ihr durchgeweichtes Kleid herunter, dann ließ sie sich in einen Sessel fallen und zog ihre schwarzen, halbhohen Plastikstiefel aus, von denen das Wasser tropfte. »Verdammt, meine Füße tun so weh, daß ich’s bis zum Arsch spüre!«
    Ich erstarrte, Kitty tauchte vor meinen Augen auf. Oft hatte sie solche Worte gebraucht, aber letztlich verwendeten alle Leute aus den Tälern und Bergen in den Willies mehr oder weniger dieselben Ausdrücke.
    »Verdammter Agent, treibt mich da raus, wo ich doch vorhatte, dazubleiben und zu warten, bis de auftauchst. Und als ich da war, war alles, was sie wolltn, ich soll lesn. Hab’ ihnen doch schon gesagt, daß ich noch nicht gut lesn kann. Ich möchte eine Rolle mit Tanzen oder Singen! Aber nix ham se mir gegeb’n, nur Fitzel ohne Zeilen… und dafür hab’ ich mir nun ’n halbes Jahr oder länger die Hacken abgelaufen!«
    Fanny hatte schon immer ihre Frustration wie ein Kleidungsstück loswerden können, das man einfach auszieht.
    Und das tat sie jetzt. In meine Richtung warf sie ihr tollstes Lächeln, das kleine, weiße, ebenmäßige Zähne enthüllte. Sie knipste ihren Charme an. Ach, die glücklichen Casteel-Kinder, die mit ihren gesunden Zähnen geboren wurden!
    »Bringst mir doch was? Tust’s doch? Tom hat’s geschrieb’n und gesagt, daß de Berge von Geld zum Ausgeb’n hast, daß de ihm – ’nen Haufen Weihnachtsgeschenke geschickt hast, und Geschenke für Großpapa. Also, Großpapa braucht kein Geld!
    Keine Geschenke! Bin die einzige, die alles braucht, was de hergeb’n kannst!«
    Seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie dünner und hübscher geworden und anscheinend auch größer, aber vielleicht wurde ihre Länge nur durch den knappen, schwarzen Slip, den sie trug, betont. Sie wirkte wie ein gespitzter Bleistift.
    Ihr schwarzes Haar hing in langen, nassen Strähnen um den Kopf, aber sogar naß und zerzaust machte sie noch immer genügend Eindruck, um manche Männeraugen auf sich zu ziehen. Meine Empfindungen ihr gegenüber verwirrten mich –
    ich liebte sie, weil sie blutsverwandt war, und hatte das Gefühl, mich um sie kümmern zu müssen.
    Als ich aus der großen, ledernen Einkaufstasche nacheinander die Geschenke nahm, die ich ihr gebracht hatte, stieß mich die offene Gier in ihren schwarzen Augen ab. Noch bevor ich die letzte Schachtel aus der Tasche hatte, riß sie schon das erste Geschenk auf, das sie sich geschnappt hatte.
    Die schöne, teure Verpackung und die Bänder wurden nicht beachtet, so wenig wie alles andere, außer dem Inhalt. Fanny quietschte beim Anblick des scharlachroten Kleides.
    »Oh, oh! Hast mir genau gebracht, was ich zur Party nächste Woche brauch’! ’n rotes Tanzkleid!«
    Sie stieß das Kleid beiseite und riß ihr zweites Geschenk auf.
    Ihr Gequietsche stieg und fiel mit dem Vergnügen, die scharlachrote Abendtasche zu entdecken, die mit breiten Straßbändern gesäumt war. Die roten Satinslipper waren ein wenig zu schmal, aber irgendwie brachte sie es fertig, ihre Füße hineinzupressen. Ihr schönes, exotisches Gesicht bekam einen entzückten Ausdruck, als sie endlich die weiße Fuchsstola herauszog.
    »Hast das alles mir gekauft? Mein eigner neuer Pelz? Ach, Heaven, dacht’ nie, du möchtest mich, aber tust’s doch! Mußt mich schon mögen, wenn de mir soviel schenkst.«
    Dann sah sie mich – vermutlich zum ersten Mal – bewußt an.
    Ihre schwarzen Augen verengten sich, bis das Weiße nur noch zwischen den Lidern mit den dichten Wimpern aufblitzte. Ich hatte mich ziemlich verändert, meine Spiegel hatten mir’s verraten. Die Schönheit, die nur andeutungsweise vorhanden gewesen war, als ich in den Bergen lebte, hatte sich verstärkt.
    Ein geschickter Friseur hatte Wunder zustande gebracht, die meinem Gesicht schmeichelten. Mein teures Kleid schmiegte sich ausgeprägten Kurven an und betonte einen schlanken Körper. Während sie mich musterte, war mir klar, daß ich mich für dieses Treffen mit meiner Schwester besonders sorgfältig gekleidet hatte.
    Ihre dunklen Augen flogen über meinen Kopf zu den

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