Schwarzer Koks (German Edition)
Cedric: »Ich möchte, dass Sie den Ermittlungen gegen Mr. Kershner höchste Priorität einräumen.«
Cedric stammelte eine Antwort. Nathan streckte die Hände nach dem Keyboard aus und scrollte die Mails durch. Er versuchte sich auf die Wörter zu konzentrieren.
Berichten aus der Wache in Islington zufolge hatte man Nathan Kershner und Steve Willinston heftig darüber diskutieren sehen, ob sie das Crackhaus noch in derselben Nacht stürmen sollten. Mr. Willinston hatte angeblich bis zum nächsten Tag warten wollen, aber Mr. Kershner sei hartnäckig geblieben. Er habe ungebührlichen Druck auf Mr. Willinston ausgeübt, der habe schließlich widerwillig eingelenkt und Mr. Kershner begleitet.
»Was zum Teufel ist das denn?«, fragte Nathan.
Sir George wandte sich an Nathan. »Sie halten sich da gefälligst heraus.«
»Das ist doch erstunken und erlogen.«
»Nathan, bitte«, sagte Cedric mit flehendem Blick.
»Es ist Bullshit. Wenn ich’s dir sage. Es war genau anders rum.«
»Nehmen Sie Ihren Hund an die Leine und kommen Sie später zu mir«, fuhr Sir George Cedric an. Dann drehte er sich auf dem Absatz um, marschierte aus dem Büro und zog sachte die Tür hinter sich zu. Nathan stand auf, um ihm nachzulaufen.
»Bleib hier«, sagte Cedric. »Du reitest dich nur noch tiefer rein.«
Nathan wandte sich ihm wieder zu. »Ich habe dir eben gesagt, wie es wirklich war. Du musst mir glauben.«
Sie sahen einander an. Eine Schweißperle lief Cedric über die Backe.
»Wir treffen uns in einer Stunde am Leicester Square«, sagte Cedric und zog eine Aktenmappe aus dem obersten Schub. »Und lies das hier.«
Auf dem Deckblatt standen nur zwei Wörter: Black Coke.
Kapitel 21
Central London, England
11. April 2011
»Nate?« Eine SMS von Caitlin. »Wo steckst du? Kannst du mich anrufen? Bitte.«
Nathan wählte ihre Nummer, landete aber sofort auf Caitlins Mailbox. Er nahm den gewundenen Pfad durch den St. James’s Park etwas schneller. Kinder warfen Kiesel in den Teich und quiekten vor Freude über das aufgeregte Quaken der Enten. Ihre müde Mutter tadelte sie halbherzig von einer Bank in der Nähe aus. Neben ihr schlief ein Penner mit einer halbvollen Flasche Rotwein im Arm.
Caitlin versuchte vermutlich wieder mal sein Liebesleben zu organisieren.
Er zuckte die Achseln. Er hatte im Augenblick andere Sorgen. Georges Verhalten war so was von eklatant! Man hätte fast meinen mögen, er halte sich für über jeden Verdacht erhaben. Nathan fiel ein, was einer seiner Kollegen mit einem durchtriebenen Lächeln bei Georges Einstand gesagt hatte: dass Sir George Kolumbien Anfang der 1990er-Jahre »unter zweifelhaften Umständen« verlassen hätte. Nathan hatte es als eines der gehässigen Gerüchte abgetan, die Polizisten im gehobenen Dienst ihre ganze Karriere über zu begleiten scheinen. Womöglich sollte er sich in dieser Richtung noch etwas umsehen.
Er erreichte den Leicester Square. Kinder liefen herum und scheuchten die Tauben auf. Rastafari in Dreadlocks trommelten auf Bongos ein. Touristen drängten sich an den Tischen und schlürften Sprudel oder Espresso. Nathan sank auf einen Stuhl auf einer Außenterrasse und stülpte den Kragen gegen die Kälte hoch. Er rieb sich die Müdigkeit aus den Augen und strich sich die verkrumpelte Jacke glatt. Wie seit Stunden schon, kochte er noch immer vor Wut. Er bestellte schwarzen Kaffee, holte die Aktenmappe aus dem Rucksack und schlug sie auf der Seite mit dem Abriss auf.
Black Coke (Straßenname); erwartete Klassifizierung: A
Laborbefund: bei Black Coke handelt es sich um ein Ecgonylbenzoat, i.e., Kokain-Derivat aus genetisch modifiziertem
Erythroxylum coca
(Kokastrauch) bzw. dem traditionellen Kokablatt. Die genetische Manipulation erfolgt mittels eines Blumenkohl-Mosaik-Virus zur Einbringung fremder DNA in die Kokapflanze. Im Gefolge der Infektion verbreitet sich der Virus rasch durch die Zellen der Pflanze und verändert sie. Resultat ist eine psychotrope Substanz von beispielloser Potenz.
Nathan überflog den Rest. Der Schätzung der Labortechniker nach wuchs die Black Coke-Pflanze zehnmal schneller als ein traditioneller Kokastrauch und das in so gut wie jedem Boden. Sie war resistent gegen Herbizide, was Kolumbiens Programm zur Ausmerzung der Kokapflanze zur Wirkungslosigkeit verurteilte. Sie war geruchlos, was bedeutete, die Spürhunde der Grenzpolizei hatten nicht die geringste Chance.
Nathan schenkte sich die chemische Erklärung und las über die Wirkung der
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