Schwarzer Kuss Der Nacht
erschien, bedeutete, dass ein Keltokdämon aus dem Traumreich ausgebrochen war und sie verfolgte. Nick wusste, dass es wahr war, weil er selbst mit dem Dämon gekämpft hatte, auch wenn er zu jener Zeit nicht erkannt hatte, womit er es zu tun hatte.
Die zweite Wahrheit, die ungleich wichtigere, war die, dass Mai seine Geistverwandte war.
Diese Erkenntnis wog schwer auf seiner Seele. Die Frau, mit der er im Traumreich schlief, und die, mit der er in derphysischen Welt geschlafen hatte, waren ein und dieselbe. Für jemanden, der solche Zeit und Mühe investierte, um seiner Geistverwandten weiträumig aus dem Weg zu gehen, konnte er kaum stärker mit ihr verbandelt sein.
Und das Erstaunliche war, dass nun, als es geschah, er kein bisschen wütend wurde – ganz im Gegenteil: Der Gedanke, den Rest seines Lebens mit Mai zu verbringen, war überaus reizvoll.
Der Kampf, das Unvermeidliche hinzunehmen, war praktisch vorbei, ehe er angefangen hatte. Nick fühlte, wie ihm ein enormer Stein vom Herzen fiel, und hätte er Lippen gehabt, hätte er gelächelt.
Nun musste er nur noch Mai davon überzeugen, dass er der Mann ihrer Träume war, und zwar in jeder Hinsicht. Das allerdings dürfte ihm in Falkengestalt eher schwer gelingen.
Er flog zu seiner Wohnung, wo er eine Tasche mit Kleidung packen wollte, bevor er wieder zu Mai zurückflog. Und er würde sich von ihr nicht die Tür weisen lassen, ehe sie zu keiner Einigung gekommen waren. Von jetzt an wäre die einzige Männerkleidung in ihrem Schrank seine!
In ihrer Wohnung gelang es Mai endlich, genügend Mut zu sammeln, um ihren Sessel zu verlassen und vorsichtig alles abzuschreiten. Trotz allem, was Nick und Darius gesagt hatten, wusste sie, dass sie von einem Keltokdämon gequält wurde. Leider hatte sie keine Ahnung, wie sie sich gegen ihn wehren konnte.
Nachdem sie die ganze Wohnung ohne Zwischenfälle überprüft hatte, kam sie zu dem Schluss, dass sie wirklich allein war. Der Traumkobold schien fort zu sein – fürs Erste.
Als sie an den Tag zurückdachte, den sie im Sessel kauerndverbracht hatte, zu ängstlich, um sich zu bewegen, kam ihr das alles im Nachhinein so unwirklich vor.
Sie machte sich etwas zu essen und zu trinken und setzte sich vor den Fernseher. Die Männer, die Nick wegen der Tür geschickt hatte, kamen und gingen. Danach hätte sie beruhigt ins Bett gehen können. Sie war furchtbar müde, aber zugleich viel zu angespannt, als dass sie schlafen konnte. Also blieb sie auf der Couch und sah fern.
Vier Stunden später wachte Mai auf. War sie eben noch im Tiefschlaf gewesen, fühlte sie sich jetzt verwirrt und orientierungslos. Sie brauchte eine geschlagene Minute, ehe ihr klarwurde, dass sie nach wie vor auf ihrer Couch saß. Und sogleich fragte sie sich, was sie geweckt hatte.
Mehrere Sekunden lang saß sie regungslos da und horchte. Außer ihrem eigenen Atem war nichts zu hören.
In der Hoffnung, eine Tasse Tee könnte sie beruhigen, ging sie in die Küche. Während sie wartete, dass die Mikrowelle das Wasser zum Kochen brachte, lehnte sie sich an den Tresen und blickte geistesabwesend auf den Spiegel über dem Esstisch.
Zunächst war sie so tief in Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie das Glas beschlug. Dann aber war ihr, als sähe sie es in einem Traum, denn sie blickte auf den Spiegel, ohne Angst oder auch bloß Neugier zu empfinden.
Der beschlagene Punkt vergrößerte sich, und ein Strich erschien. Dann noch einer. Nur waren sie diesmal nicht in den Dampf gemalt. Diese Buchstaben waren in leuchtend roter Flüssigkeit gezeichnet.
Blut.
Sofort war Mai hellwach – und zu verängstigt, um sich zu rühren. In gebanntem Entsetzen beobachtete sie, wie die Buchstaben zu einer Botschaft wurden:
Hilf mir!
Kapitel 18
Ein Zittern durchfuhr sie wellengleich, während sie auf die Botschaft im Spiegel starrte. Sie wollte schreien,wollte weinen. War das wieder eine Halluzination? Oder war der Keltok zurück?
Dann aber fiel ihr eine andere Möglichkeit ein. Vielleicht war es nur ein böser Traum.
Sie wusste, dass sie es nur auf eine Art herausfinden konnte. Kurzentschlossen griff sie sich ein Messer und hielt es über ihre offene Hand. »Wenn ich schlafe, tut es nicht weh«, sagte sie sich.
In letzter Sekunde besann sie sich. Statt ihre Handinnenfläche aufzuschlitzen, drückte sie die Messerspitze gegen ihren Daumen. Kein Schmerz.
Sie drückte etwas fester.
»Schei…!« Sie ließ das Messer fallen und umklammerte ihren
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