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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Irgendwie ist er wohl der Schlüssel zu alldem, aber inwiefern, weiß ich nicht.«
    »Wieso liegt Lilas Fall anders?«, fragte Dawes.
    Frieda erhob sich.
    »Das erklärt Ihnen besser Jim. Ich trage schon mal das Teegeschirr hinein und spüle ab. Währenddessen kann Jim Ihnen erzählen, was er alles herausgefunden hat. Vielleicht bringt Sie das ja auf irgendwas. Wenn nicht, stecken wir vermutlich in der nächsten Sackgasse fest.«
    Dawes wollte sie nicht abspülen lassen, aber Frieda ignorierte ihn. Ohne auf seine Einwände zu achten, griff sie nach dem gemusterten Plastiktablett, das er an ein Tischbein gelehnt hatte, und belud es mit den Tassen, dem Milchkännchen und der Zuckerdose. Dann ging sie ins Haus und bog nach rechts in die kleine Küche ab. Das Fenster über der Spüle führte auf den Garten hinaus, so dass Frieda beim Abwasch die beiden Männer im Blickfeld hatte. Sie sah, dass sie sich unterhielten, hörte aber nicht, was gesprochen wurde. Wahrscheinlich war Dawes der Typ Mann, der mit einem anderen Mann ungezwungener reden konnte als mit einer Frau. Die beiden standen auf und gingen ein Stück durch den Garten, weg vom Haus. Frieda beobachtete, wie Dawes auf verschiedene Pflanzen deutete und dann nach hinten, wo das Flüsschen plätscherte – der Wandle, noch seicht und klar, auf dem Weg zur Themse.
    Neben der Spüle standen vier weitere Teetassen und auf der Arbeitsplatte aus Kunststoff ein paar benutzte Teller und Gläser. Frieda wusch sie ebenfalls ab, spülte mit klarem Wasser nach und stellte alles auf das Abtropfbrett. Währenddessen schaute sie sich in der Küche um und fragte sich, ob Männer, die ohne ihre Familie leben mussten, wohl anders reagierten als Frauen. Der Kontrast zu Fearbys Wohnstätte hätte nicht größer sein können. Hier wirkte alles ordentlich, sauber und durchorganisiert, während Fearbys Haus schmutzig und ungepflegt aussah. Trotzdem hatten beide Häuser etwas gemeinsam. Frieda überlegte, dass eine Frau aus ihrem Zuhause vielleicht eine Art Schrein für die fehlenden Personen gemacht hätte, aber bei Fearby und Dawes war das Gegenteil der Fall. Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Wohnräume hatten sich beide Männer die allergrößte Mühe gegeben, all die unangenehmen Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit ihrem Verlust zu verdrängen. Fearby hatte sein Haus mit anderen vermissten Gesichtern gefüllt. Und dieses Haus hier? Es erschien ihr wie das eines Mannes, der seit jeher allein lebte. Sogar beim Abspülen kam sie sich vor wie ein unerwünschter weiblicher Eindringling.
    Nachdenklich trocknete sie sich an einem Geschirrtuch die Hände ab, hängte es ordentlich zurück an seinen Haken, und ging dann wieder hinaus, um sich zu den Männern zu gesellen. Beide wandten gleichzeitig den Kopf und grinsten einander dabei einen Moment verschwörerisch an, als hätten sie in der kurzen Zeit, die Frieda weg gewesen war, einen Bund geschlossen.
    »Wir haben festgestellt, dass wir einiges gemeinsam haben«, erklärte Fearby.
    »Sieht ganz danach aus, als hätten wir die gleiche gottverdammte Art von Arbeit gemacht«, fügte Dawes hinzu.
    »Sie waren aber kein Journalist, oder?«, wandte Frieda ein.
    Dawes lächelte.
    »Nein, ganz so schlimm war es nicht. Ich glaube, ich hatte es letztes Mal schon kurz erwähnt. Ich war Handelsvertreter. Da ist man auch ständig unterwegs.«
    »Da haben Sie wohl gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt«, bemerkte Fearby.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Gibt es in den Büros denn noch Fotokopierer?«
    »Und ob«, antwortete Dawes.
    »Ich dachte, das läuft inzwischen alles ohne Papier.«
    »Das ist ein Mythos. Kopierer werden mehr denn je benutzt. Nein, meiner Firma geht es gut. Zumindest zahlen sie jeden Monat pünktlich meine Rente.« Er lächelte, wurde dann aber schlagartig wieder ernst. »Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?«
    »Nein, vermutlich nicht.«
    »Sagen Sie mir eines: Glauben Sie, meine Tochter ist noch am Leben?«
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Frieda leise.
    »Diese Ungewissheit ist das Schlimmste«, sagte Dawes.
    »Es tut mir leid. Nun tauche ich schon zum dritten Mal hier auf und stochere in alten Wunden herum. Dabei habe ich noch nicht mal viel zu berichten.«
    »Das macht nichts«, entgegnete Dawes. »Ich bin dankbar, dass überhaupt jemand versucht, etwas für meine Tochter zu tun. Sie sind mir jederzeit willkommen.«
    Frieda und Fearby verabschiedeten sich.
    »Der Ärmste«, bemerkte Frieda, als sie wieder draußen

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