Schwarzer Mond: Roman
Foto des Verfassers zu betrachten. Sie beendete den Roman um Viertel vor vier nachts. In der tiefen Stille, die sich über Baywatch gesenkt hatte, saß sie mit dem Buch auf den Knien da und starrte in Dominick Corvaisis' quälend vertrautes Gesicht auf dem Schutzumschlag, und je länger sie es ansah, desto stärker wurde ihre Überzeugung, dass sie diesem Mann irgendwo schon begegnet war, dass er auf irgendeine unvorstellbare Weis e etwas mit ihren Problemen zu tun hatte. Obwohl sie sich sagte, dass diese Intuition vielleicht nur von derselben Geistesverwirrung herrührte, die auch ihre Anfälle bewirkte, dass sie dieser Intuition nicht trauen durfte, wuchs ihre Erregung und Unruhe, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt und aktiv wurde.
Sie schlich die Treppe hinab, durchquerte die dunklen, leeren Räume des großen, schlafenden Hauses, knipste in der Küche das Licht an und rief vom Wandtelefon aus die Auskunft in Laguna Beach an. In Kalifornien war es jetzt ein Uhr nachts, eine unmögliche Zeit für einen Anruf bei Dominick Corvaisis. Aber wenn sie seine Telefonnummer hätte und wüsste, dass sie am Morgen mit ihm Kontakt aufnehmen konnte, würde sie besser schlafen. Aber zu ihrer großen Enttäuschung war seine Nummer nicht registriert, womit sie allerdings fast gerechnet hatte.
Während sie leise in ihr Zimmer zurückkehrte, fasste Ginger den Entschluss, Corvaisis gleich am Morgen zu schreiben, an die Adresse seines Verlages. Sie würde den Brief per Express schicken und den Verleger in einem kurzen Begleitschreiben dringend bitten, ihren Brief sofort weiterzuleiten.
Vielleicht war es überstürzt und sinnlos, mit Corvaisis Kontakt aufzunehmen. Vielleicht war sie ihm nie begegnet, vielleicht hatte er überhaupt nichts mit ihren Nöten zu tun. Vielleicht würde er sie für verrückt halten. Aber auch wenn die Chancen nur eins zu eine Million stünden, wollte sie doch bereitwillig das Risiko eingehen, sich lächerlich zu machen, denn ein Zufallstreffer könnte für sie möglicherweise die Rettung bedeuten.
Laguna Beach, Kalifornien
Ohne etwas davon zu ahnen, dass ein Rezensionsexemplar seines Romanes eine enorm wichtige Verbindung zwischen ihm und einer verzweifelten jungen Frau in Boston hergestellt hatte, blieb Dom bis Mitternacht bei Parker Faine. Sie überlegten gemeinsam, um welche Art von Konspiration es sich wohl handeln könnte, aber ihnen fehlten die nötigen Informationen, um sich ein auch nur halbwegs klares Bild machen zu können.
Trotzdem war es sehr tröstlich, das Rätsel mit einem Freund teilen und besprechen zu können. Es verlor dadurch etwas von seinem Schrecken.
Sie stimmten darin überein, dass Dom nicht nach Portland fliegen und mit seiner Odyssee beginnen sollte, bevor er nicht wusste, wie schlimm sein Schlafwandeln sein würde, nachdem er jetzt die Tabletten weggeworfen hatte. Vielleicht würde der Somnambulismus -wider Doms Erwarten -nicht wieder auftreten, und dann konnte er die Reise antreten, ohne befürchten zu müssen, an einem fremden Ort die Kontrolle über sich zu verlieren. Falls er jedoch wieder im Schlaf umherzuwandeln begann, würde er sich vor der Abreise nach Portland einige Wochen lang überlegen müssen, wie er sich nachts im Zaume halten könnte.
Außerdem war es - wenn er eine Zeitlang abwartete - immerhin möglich, dass er weitere Briefe von dem Unbekannten erhalten würde. Neue Hinweise könnten die Reise von Portland nach Mountainview überflüssig machen oder aber die Strecke eingrenzen, auf der Dom seine eingekerkerten Erinnerungen zu befreien hoffte.
Als Dom um Mitternacht Parkers Haus verließ, war vorauszusehen, dass der Maler sich noch stundenlang mit dem Problem beschäftigen würde, so sehr hatte es inzwischen seine Neugier geweckt.
»Bist du sicher, dass es klug ist, wenn du heute nacht allein bist?« fragte er an der Haustür.
Dom trat auf einen Gartenweg hinaus, der mit dunklen, spitzen geometrischen Gebilden und mit keilförmigen, gelben Lichtscheiben gemustert war -Effekt einer dekorativen Eisenlaterne, die von Palmwedeln halb verdeckt wurde.
»Wir haben ja vorhin schon ausführlich darüber gesprochen. Klug ist es vermutlich nicht, aber es ist die einzige Möglichkeit.«
»Rufst du auch bestimmt an, wenn du Hilfe brauchst?«
»Ja, das tu ich«, versprach Dom.
»Und vergiss nicht die Vorsichtsmaßnahmen, über die wir gesprochen haben!«
Diese Vorsichtsmaßnahmen begann Dom zu treffen, als er kurz darauf zu Hause war. Er holte seine
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