Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
scheinen?«
    Als Brendan vor drei Wochen Stefans unkonventionelle Therapie in der Kinderklinik begonnen hatte, war der junge Priester über seinen Glaubensverlust so verzweifelt gewesen, dass er innerhalb kürzester Zeit sehr stark abnahm. Er wog jetzt 30 Pfund weniger als vor der Krise, aber inzwischen verlor er nicht weiter an Gewicht und sah nicht mehr so bleich und verhärmt aus wie kurz nach seinem schockierenden Wutausbruch bei der Messe am 1. Dezember. Trotz seiner anhaltenden spirituellen Misere hatte seine Haut einen warmen Glanz, und seine Augen leuchteten fast ... ja, fast selig.
    »Sie fühlen sich großartig, stimmt's?« fragte Stefan.
    »Ja, obwohl ich nicht genau weiß, warum.«
    »Ihr Herz ist nicht mehr betrübt?«
    »Nein.«
    »Obwohl Sie den Weg zurück zu Gott immer noch nicht gefunden haben.«
    »Ja«, bestätigte Brendan. »Vielleicht hat es etwas mit meinem Traum in der letzten Nacht zu tun.«
    »Wieder die schwarzen Handschuhe?«
    »Nein, vor denen bin ich zum Glück schon eine ganze Weile verschont geblieben«, antwortete Brendan. »Ich habe letzte Nacht geträumt, ich sei an einem lichtdurchfluteten Ort - es war herrliches goldenes Licht, so strahlend, dass ich nichts um mich herum sehen konnte, und doch tat es meinen Augen nicht weh.« Die Stimme des Kaplans bekam einen ehrfürchtigen Klang. »Ich gehe und gehe in diesem Traum, ohne zu wissen, wo ich bin und wohin ich eigentlich gehe, aber ich habe das sichere Gefühl, dass ich mich einem Ding oder Ort von überwältigender Bedeutung und schier unerträglicher Schönheit nähere. Ich nähere mich nicht aus eigenem Antrieb ... nein, ich werde dorthin gerufen. Es ist kein akustisch wahrnehmbares Rufen, sondern eine Aufforderung, die einfach in mir ... widerhallt. Ich habe Herzklopfen und fürchte mich ein wenig. Aber es ist keine unangenehme Furcht, die ich an jenem lichten Ort verspüre,
    Vater. Deshalb gehe ich immer weiter durch das Licht, auf etwas Herrliches zu, das ich nicht sehen kann, von dem ich aber weiß, dass es existiert.«
    Von Brendans leiser, verzauberter Stimme magnetisch angezogen, setzte sich Vater Wycazik neben ihn auf die Bettkante.
    »Aber das ist ohne jeden Zweifel ein religiöser Traum, der Ruf Gottes, der Sie im Schlaf erreicht. Er ruft Sie zurück zum Glauben, zurück zu den Pflichten Ihres Amtes.«
    Brendan schüttelte den Kopf. »Nein. Der Traum hatte nichts Religiöses an sich. Ich hatte nicht das Gefühl einer göttlichen Präsenz. Es war eine andere Art von Ehrfurcht, die mich erfüllte, eine Freude ungleich jener, die ich in Christus kannte. Ich wachte im Laufe der Nacht viermal auf, und jedesmal waren die Ringe an meinen Händen zu sehen. Und jedesmal, wenn ich wieder einschlief, hatte ich den gleichen Traum. Etwas sehr Seltsames und Bedeutsames geschieht, Vater, und ich habe daran Anteil. Aber was es auch sein mag -es ist jedenfalls etwas, worauf meine Ausbildung, meine bisherigen Erfahrungen und mein früherer Glaube mich nicht vorbereitet haben.«
    Vater Wycazik fragte sich, ob der Ruf, den Brendan im Traum vernommen hatte, von Satan gewesen sein könnte. Vielleicht war der Teufel, der die Seele eines Priesters in Gefahr wusste, zur Tarnung in Gestalt dieses herrlichen goldenen Lichts aufgetreten, um den Kaplan um so leichter vom rechten Weg abbringen zu können.
    Immer noch fest entschlossen, seinen Kaplan zur Herde zurückzubringen, aber im Augenblick ohne wirkungsvolle Strategie, entschied sich Stefan Wycazik für einen Waffenstillstand.
    »Nun - und was jetzt? Sie sind - entgegen meinen Erwartungen  - noch nicht soweit, dass Sie Ihr Kollar wieder anziehen und zu Ihren Pflichten zurückkehren könnten. Möchten Sie, dass ich mit Lee Kellog, dem Provinzial von Illinois, Kontakt aufnehme und ihn bitte, Ihnen eine psychiatrische Behandlung zu erlauben?«
    Brendan lächelte. »Nein, das sagt mir nicht mehr zu. Ich glaube nicht, dass es mir etwas nützen würde. Am liebsten würde ich wenn es Ihnen recht ist, Vater -in mein Zimmer im Pfarrhaus zurückkehren und einfach abwarten, was weiter geschieht. Natürlich kann ich als vom Glauben abgefallener Priester keine Beichten hören und keine heiligen Messen lesen. Aber während ich abwarte, was geschieht, könnte ich kochen und Ihnen in der Kanzlei helfen.«
    Vater Wycazik war erleichtert. Er hatte befürchtet, dass Brendan den Wunsch äußern würde, ins weltliche Leben zurückzukehren.
    »Selbstverständlich sind Sie mir herzlich willkommen. Es gibt für Sie

Weitere Kostenlose Bücher