Schwarzer Mond: Roman
Pistole aus dem Nachttisch, schloss sie in eine Schublade seines Schreibtisches im Arbeitszimmer ein und begrub den Schlüssel unter einer Packung Speiseeis in der Tiefkühltruhe. Es war immerhin besser, einem eventuellen Einbrecher unbewaffnet gegenüberzustehen, als möglicherweise im Tiefschlaf mit der Pistole herumzuballern.
Als nächstes schnitt er von einer Schnurrolle in der Garage drei Meter ab. Nachdem er sich die Zähne geputzt und sich ausgezogen hatte, schlang er ein Ende der Schnur mehrmals um sein rechtes Handgelenk und sicherte die Fessel mit vier schwierigen Knoten. Dann befestigte er das andere Ende der Schnur an einem der oberen Bettpfosten und verknotete es ebenfalls sorgfältig. Etwa 30 cm Schnur hatte er für die Knoten verwendet; die restlichen 2,70 m würden ihm erlauben, bequem zu liegen, aber andererseits würden sie ausschließen, dass er sich weit vom Bett entfernte.
In seinen früheren Anfällen von Somnambulismus hatte er komplizierte Arbeiten ausgeführt, die einige Konzentration erforderten, aber nie etwas so Langwieriges und Mühsames wie das Entwirren fester Knoten, das ihm oft sogar in wachem Zustand Mühe bereitete. Im Schlaf würden ihm bestimmt die Ausdauer und die gedankliche Sammlung fehlen, um sich befreien zu können, und vor Frustration über die erfolglosen Bemühungen würde er höchstwahrscheinlich aufwachen.
Auf diese Weise in der Bewegungsfreiheit behindert zu sein war natürlich nicht ungefährlich. Wenn nachts ein Brand ausbrach oder das Haus bei einem Erdbeben beschädigt wurde,
konnte das zeitraubende Aufknoten seiner Fessel eventuell dazu führen, dass er an Rauch erstickte oder unter einer einstürzenden Mauer begraben wurde. Aber dieses Risiko musste er eingehen. Als er die Nachttischlampe ausschaltete und unter die Decke schlüpfte, zeigten die leuchtenden roten Ziffern der Digitaluhr
0.58 h an. Er starrte an die dunkle Decke und fragte sich, während er auf den Schlaf wartete, was ihm wohl im vorletzten Sommer auf jener Autofahrt widerfahren sein mochte.
Das Telefon auf dem Nachttisch läutete nicht. Hätte er nicht eine Geheimnummer gehabt, so wäre er vielleicht in diesem Moment von einer einsamen, angsterfüllten jungen Frau aus Boston angerufen worden - und dieser Anruf hätte den Verlauf der nächsten Wochen radikal verändert und möglicherweise auch Menschenleben gerettet.
Milwaukee, Wisconsin
Im Gästezimmer des Hauses ihrer einzigen Tochter, wo in Anbetracht von Ernies Phobie eine Nachttischlampe brannte, hörte Faye Block ihren Mann im Schlaf etwas in sein Kissen murmeln.
Sie war vor einigen Minuten aufgewacht, als er einen leisen Schrei ausgestoßen und um sich geschlagen hatte. Sie stützte sich auf einen Ellbogen auf und lauschte angestrengt, konnte aber seine vom Kissen gedämpften Worte nicht verstehen. Es schien ihr jedoch, als wiederholte er immer dasselbe. Die geradezu panische Angst in seiner Stimme beunruhigte Faye. Sie beugte sich tiefer über ihn, um sein Gemurmel zu verstehen.
Plötzlich drehte er den Kopf etwas mehr zur Seite, und nun konnte sie seine Worte deutlich hören, obwohl deren Bedeutung ihr mysteriös blieb!
»Der Mond, der Mond, der Mond, der Mond ...«
Las Vegas, Nevada
Jorja ließ Marcie in dieser Nacht bei sich im Bett schlafen, weil sie Angst hatte, das Mädchen nach den erschreckenden Vorfällen des Tages allein zu lassen. Sie kam nicht viel zur Ruhe, denn Marcie wurde die ganze Nacht hindurch von Alpträumen geplagt, schlug um sich, trat mit den Füßen und strampelte, so als wollte sie sich von irgendwelchen Fesseln oder von Händen, die sie festhielten, befreien. Dabei redete sie in ihrem unruhigen Schlaf immer wieder von Ärzten und Nadeln. Jorja fragte sich, wie lange das wohl schon so gehen mochte. Ihre Schlafzimmer waren durch zwei Rückwand an Rückwand stehende Kleiderschränke voneinander abgetrennt, und das Kind redete im Schlaf sehr leise. Es war also durchaus möglich, dass Marcie schon viele Nächte in solchem unbewusstem Schrecken verbracht hatte, ohne dass Jorja es gehört hatte. Die Stimme ihrer Tochter verursachte Jorja eine Gänsehaut.
Am Morgen würde sie mit Marcie sofort zum Arzt gehen, obwohl damit zu rechnen war, dass das Mädchen in seiner unerklärlichen Angst vor allen Ärzten eine schreckliche Szene machen würde. Aber Jorja machte sich viel zu große Sorgen, um die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen. Wenn es nicht so schwierig gewesen wäre, an Weihnachten einen geeigneten
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