Schwarzer Mond: Roman
in einem Hochhaus namens >The Pinnacle< gewohnt, einem eleganten Gebäude auf der Flamingo Road, wo das Callgirl eine Eigentumswohnung besaß.
Der vierzehnstöckige weiße Betonklotz hatte bronzeschimmernde Fenster und wirkte noch höher, weil er inmitten von unbebautem Wüstenland emporragte. Er hatte Ähnlichkeit mit einem Denkmal, mit dem größten, protzigsten Grabstein der Welt. Gepflegte Rasenflächen und Blumenbeete umgaben das Gebäude, aber von den angrenzenden weiten Sandflächen waren auch Unkrautsamen herübergeflogen. Der kalte Wind, der dieses Unkraut schüttelte, heulte auch trostlos durch die säulengeschmückte Veranda des Hochhauses.
Zwei Polizeiautos und ein Leichenwagen standen vor dem Gebäude, aber im Foyer waren keine Polizisten zu sehen; nur eine junge Frau saß auf einem malvenfarbenen Sofa in der Nähe der Aufzüge, und an einem Pult beim Eingang stand ein Mann in grauer Hose und blauem Blazer - der Portier. Der Marmorboden, die Kristall-Kronleuchter, Orientteppiche, eleganten Sitzgarnituren und die Lifttüren aus Messing sollten in etwas aufdringlicher Weise den Eindruck von Eleganz und Pracht erwecken.
Als Jorja den Portier bat, sie anzumelden, erhob sich die junge Frau vom Sofa.
»Mrs. Rykoff, ich bin Pepper Carrafield. Ah ... ich glaube, Sie haben Ihren Mädchennamen wieder angenommen ...«
»Monatella«, sagte Jorja.
Wie das Gebäude, in dem sie wohnte, so versuchte auch Pepper, die Eleganz der Fifth Avenue auszustrahlen, aber ihre Bemühungen waren weniger erfolgreich als jene der Innenarchitekten, die >The Pinnacle< ausgestattet hatten. Ihr blondes Haar war modisch zottig frisiert, was in ihrem Beruf, den sie ja hauptsächlich im Bett ausübte, vermutlich praktisch war. Sie trug eine purpurrote teure Seidenbluse, hatte aber zu viele Knöpfe geöffnet und ihre Brüste dadurch zu offenherzig zur Schau gestellt. Ihre graue Hose war gut geschnitten, aber viel zu eng. Sie trug eine mit Diamanten besetzte Cartier-Uhr, aber der elegante Eindruck dieser Uhr wurde durch vier protzige Diamantringe weggewischt.
»Ich habe es oben in der Wohnung nicht ausgehalten«, erklärte Pepper und bedeutete Jorja, neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen. »Ich betrete sie erst wieder, wenn sie die Leiche weggebracht haben.« Sie erschauderte. »Wir können uns ja hier unterhalten, wenn wir leise reden.« Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung des Portiers. »Aber falls Sie mir eine Szene machen wollen, werde ich einfach aufstehen und weggehen. Verstehen Sie? Die Leute hier wissen nicht, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, und das soll auch in Zukunft so bleiben. Ich empfange hier niemals Besucher. Ich arbeite ausschließlich außer Haus.« Ihre graugrünen Augen bekamen einen harten Ausdruck.
Jorja warf ihr einen kühlen Blick zu. »Wenn Sie glauben, ich sei eine verhärmte, leidende Ex-Ehefrau, so können Sie ganz beruhigt sein, Miss Carrafield. Von meinen früheren Empfindungen für Alan ist nichts mehr übriggeblieben. Selbst jetzt, da er tot ist, fühle ich nichts. Ich bin nicht stolz auf diese Gefühllosigkeit. Ich habe Alan einmal geliebt, und wir haben ein wundervolles Kind gezeugt. Ich sollte irgend etwas fühlen, und ich schäme mich, dass das nicht der Fall ist. Also seien Sie unbesorgt - ich werde Ihnen bestimmt keine Szene machen.«
»Großartig!« sagte Pepper entzückt; sie war mit sich und ihren eigenen Sorgen so beschäftigt, dass sie von der Familientragödie, die Jorja angedeutet hatte, überhaupt nichts verstand.
»Sie müssen wissen, dass hier viele vornehme Leute wohnen, und wenn sie erfahren, dass mein Freund Selbstmord begangen hat, werden sie ohnehin für längere Zeit auf Distanz gehen. Solche Leute lieben kein Aufsehen. Und falls sie dann noch erfahren sollten, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene ... nun, dann würde man mich hier nie wieder akzeptieren. Verstehen Sie? Ich müsste umziehen, und das will ich nicht. Auf gar keinen Fall, denn es gefällt mir hier ganz ausgezeichnet.«
Jorja betrachtete Peppers auffällige Diamantringe, das offenherzige Dekollete, blickte der jungen Frau in die Augen und fragte: »Was glauben Sie denn, wofür man Sie hier hält - für eine reiche Erbin?« Ihr Sarkasmus entging Pepper völlig.
»Genau das. Aber woher wissen Sie ...? Ich habe diese Wohnung mit Hundertdollarscheinen bezahlt, brauchte also keine Kreditkarte vorzulegen, und ich habe überall angedeutet, dass meine Familie Geld besitzt.«
Jorja machte sich nicht
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