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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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seinem Zimmer aus, lag auf der Seite im Bett und blickte zum Fenster hinüber, wo die mit einer dünnen Eisschicht bedeckte Scheibe in einem bleichen Licht schimmerte. Das Fenster ging auf den Hof hinaus, wo um diese Zeit keine Lampen brannten; Brendan wusste deshalb, dass es indirekter Mondschein war, der von der gefrorenen Scheibe reflektiert wurde. Indirektes Licht musste es sein, weil der Mond vorhin durch die Arbeitszimmerfenster zu sehen gewesen war, und das Arbeitszimmer befand sich auf der anderen Seite des Pfarrhauses. Der Mond konnte nicht jetzt auf einmal über dem Hof stehen, es sei denn, er hätte plötzlich seine Bahn um neunzig Grad geändert, was natürlich unmöglich war.
    Während Brendan geduldig auf den Schlaf wartete, faszinierten ihn die zarten Muster, die von den indirekten Mondstrahlen auf der gefrorenen Scheibe erzeugt wurden, immer stärker; das Licht brach sich an jeder Stelle, wo zwei Eiskristalle zusammentrafen, und jeder Lichtstrahl zerfiel in Hunderte feinster Strahlen.
    »Der Mond«, hörte er sich überrascht flüstern. »Der Mond.«
    Allmählich begriff er, dass etwas Unheimliches vorging.
    Anfangs war er einfach von der harmonischen Wechselwirkung zwischen Eis und Mondlicht fasziniert gewesen, aber allmählich steigerte sich diese Faszination zur magischen Anziehungskraft. Er konnte seinen Blick nicht von dem perlschimmernden Fenster abwenden. Es schien irgendeine undefinierbare Verheißung auszustrahlen, der Brendan ebensowenig widerstehen konnte wie ein Seemann dem Gesang der Sirenen. Er zog unwillkürlich einen Arm unter der Decke hervor und streckte ihn sehnsüchtig nach dem Fenster aus, obwohl es drei Meter entfernt war und er es vom Bett aus nicht berühren konnte. Die dunkle Silhouette seiner gespreizten Hand hob sich deutlich von der schimmernden Glasscheibe ab, und seine vergebliche Geste war Ausdruck eines tiefen Verlangens. Brendan verzehrte sich vor Sehnsucht nach dem Licht, nicht nach diesem Licht auf der Fensterscheibe, sondern nach dem goldenen Licht seiner Träume.
    »Der Mond!« flüsterte er wieder und war von neuem erstaunt, seine eigene Stimme zu hören.
    Sein Herzschlag wurde schneller. Er begann zu zittern.
    Plötzlich ging mit dem zuckrigen Frost auf der Scheibe eine unerklärliche Veränderung vor. Die dünne Eisschicht schmolz von den Rändern der Scheibe aus zur Mitte hin. Nach wenigen Sekunden blieb nur noch ein Eiskreis von etwa 25 Zentimetern Durchmesser übrig, der in der Mitte eines ansonsten völlig durchsichtigen, trockenen, dunklen Glasrechtecks gespenstisch funkelte.
    Der Mond.
    Brendan wusste, dass das ein Zeichen war, obwohl er es weder verstand noch wusste, von wem oder was und woher es kam.
    In der Weihnachtsnacht, als er in seinem Elternhaus in Bridgeport übernachtet hatte, musste er einen Traum gehabt haben, in dem der Mond eine wichtige Rolle spielte, denn er hatte mit seinen lauten, panikartigen Schreien seinen Vater und seine Mutter aufgeweckt. Aber er hatte sich an diesen Traum nicht erinnern können. Seit damals hatte er, soviel er wusste, nicht wieder vom Mond geträumt, sondern nur noch von jenem mysteriösen Ort mit dem blendenden goldenen Licht, wo er die Nähe irgendeiner unglaublichen Offenbarung spürte.
    Während er immer noch die Hand nach dem schimmernden Frostkreis auf der Fensterscheibe ausstreckte, wurde die Eisschicht immer leuchtender, so als liefe innerhalb der Eiskristalle irgendeine geheimnisvolle chemische Reaktion ab. Der Eismond schimmerte nicht mehr milchig, sondern war strahlend weiß wie Schnee in grellem Sonnenlicht; er wurde immer leuchtender und leuchtender, bis schließlich ein funkelnder Silberkreis auf dem Mond flammte.
    Mit wild klopfendem Herzen, überzeugt davon, auf der Schwelle einer überwältigenden Epiphanie zu stehen, streckte Brendan seine Hand weiterhin dem Fenster entgegen, und er hielt erschrocken die Luft an, als plötzlich eine Lichtwelle von dem Frostmond ausstrahlte und über sein Bett fiel. Sie glich dem Strahl eines grellen Scheinwerfers. Während er in der jähen Helligkeit die Augen zusammenkniff und sich verwundert fragte, wie ganz normales Eis und Glas eine solch enorme Leuchtkraft erzeugen konnten, wurde das Licht hellrot, dann karmesinrot, dann scharlachrot. Die Bettlaken hatten die Farbe von geschmolzenem Stahl, und seine ausgestreckte Hand schien blutüberströmt zu sein.
    Er wurde vom Gefühl eines deja vu überwältigt, war überzeugt davon, dass er irgendwann einmal wirklich

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