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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wurde sie nervös und bekam Magenbeschwerden. Zum erstenmal, seit sie allein neben dem Krankenbett ihres Vaters die Nacht durchwacht und machtlos sein Sterben mit angesehen hatte, war Ginger voller Zweifel.
    Vielleicht rührten ihre Befürchtungen von der unlogischen, aber unentrinnbaren Vorstellung her, dass durch einen Misserfolg bei diesem Patienten ihr Vater gleichsam noch einmal vor ihren Augen sterben würde. Vielleicht waren ihre Ängste aber auch völlig irrational und würden ihr im nachhinein selbst lächerlich und albern vorkommen. Vielleicht.
    Wie dem auch sein mochte, als sie an Georges Seite den Operationssaal betrat, befürchtete sie, dass ihre Hände zittern könnten. Die Hände eines Chirurgen dürfen niemals zittern!
    Der Operationssaal war weiß und blau gekachelt und mit funkelnden Geräten aus rostfreiem Stahl und Chrom ausgestattet.
    Krankenschwestern und ein Anästhesist bereiteten den Patienten auf den chirurgischen Eingriff vor.
    Johnny O'Day lag mit ausgebreiteten Armen auf dem kreuzförmigen Operationstisch; die Kanülen für die intravenöse Narkose waren an seinen Handgelenken befestigt.
    Agatha Tandy, eine private OP-Schwester, die auf Georges Betreiben hin eingestellt worden war, zog ihrem Chef dünne Latex-Handschuhe über die gründlich desinfizierten Hände; dann tat sie das gleiche bei Ginger.
    Der Patient war in Narkose. Er war vom Hals bis zum Rist mit Jod eingepinselt; von den Hüften abwärts war er in sterile Tücher gehüllt. Er atmete langsam, aber gleichmäßig.
    Ein tragbarer Kassettenrecorder mit Stereolautsprechern stand auf einem Schemel in einer Ecke des Saales. George operierte am liebsten bei leiser Musik von Bach, und diese beruhigenden Klänge waren auch jetzt zu hören.
    Vielleicht wirkte die Musik auf die anderen beruhigend; bei Ginger verfehlte sie diesmal diese Wirkung. Ein geheimnisvolles Etwas spann heute sein Netz von Eis in ihrem Magen.
    Hannaby nahm seinen Platz am Operationstisch ein. Agatha stellte sich mit ihrem Tablett sorgfältig geordneter Instrumente rechts neben ihn. Die Laufschwester stand auf dem Sprung, um etwas eventuell noch Benötigtes möglichst schnell aus den Schränken entlang einer Wand holen zu können. Eine Assistenzschwester mit großen grauen Augen schob rasch noch einen herabhängenden Tuchzipfel zurecht. Der Anästhesist und die Narkoseschwester verfolgten am Kopfende aufmerksam das IV und das EKG. Ginger nahm nun ebenfalls ihren Platz ein.
    Das Team war bereit.
    Ginger warf einen Blick auf ihre Hände. Sie zitterten nicht.
    Innerlich bebte sie allerdings.
    Entgegen ihren schlimmen Vorahnungen verlief der Eingriff ohne Komplikationen. George Hannaby operierte mit einer Schnelligkeit, Sicherheit und Geschicklichkeit, die Ginger noch mehr als sonst beeindruckten. Zweimal trat er beiseite und forderte sie auf, die Operation fortzusetzen. Ginger stellte überrascht fest, dass sie mit ihrer gewohnten Sicherheit und Geschwindigkeit arbeitete; ihre Anspannung und Angst äußerten sich nur darin, dass sie stärker als sonst schwitzte. Die Schwester war jedoch immer zur Stelle, um ihr die Stirn abzuwischen.
    Nach der Operation bemerkte George am Waschbecken: »Alles genau nach Plan verlaufen.«
    Während Ginger ihre Hände unter dem heißen Wasser schrubbte, sagte sie: »Sie wirken immer so entspannt, als ... als wären Sie überhaupt kein Chirurg, sondern ein Schneider, der einen Anzug ändert.«
    »Es mag zwar diesen Anschein haben«, erwiderte er, »aber in Wirklichkeit bin ich immer angespannt. Deshalb auch die Musik von Bach.« Er trocknete seine Hände ab. »Sie waren heute sehr angespannt.«
    »Ja«, gab sie offen zu.
    »Ungewöhnlich angespannt. Aber das kommt vor.« Obwohl er so groß und wuchtig war, konnten seine Augen manchmal den Ausdruck eines freundlichen, sanften Kindes annehmen.
    »Wichtig ist nur, dass Ihre Geschicklichkeit nicht darunter gelitten hat. Sie waren so gut wie immer. Erstklassig. Das ist der Trick bei der Sache - Sie müssen die Anspannung positiv zu nutzen verstehen.«
    »Vielleicht werde ich das auch noch lernen.«
    Er grinste. »Sie sind wie immer viel zu streng mit sich selbst.
    Ich bin stolz auf Sie, Mädchen. Ein Weilchen dachte ich da drin, dass Sie die Medizin vielleicht doch aufgeben und sich Ihren Lebensunterhalt als Fleischerin im Supermarkt verdienen müssten, aber jetzt weiß ich, dass Sie es schaffen werden.«
    Sie grinste zurück, aber es war ein gezwungenes Lächeln. Sie war mehr als nervös

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