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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hinter der Heizung Zuflucht gesucht hatte.
    Er legte den Hammer weg und blickte aus dem Fenster: blühende Rosenstöcke, ein schmaler Rasenstreifen und ein efeubewachsener Hügel, der zu einem anderen Haus hinaufführte. Ein liebliches Bild. Friedlich. Er konnte nicht glauben, dass es letzte Nacht irgendwie anders ausgesehen hatte, dass etwas Bedrohliches dort draußen in der Dunkelheit gelauert hatte.
    Und doch ...
    Eine Zeitlang beobachtete Dom, wie die Sonne höher stieg, wie Bienen die Rosenstöcke umschwirrten; dann begann er die Nägel aufzusammeln.
    Es war der 24. November.

5. Boston, Massachusetts
    Nach dem Zwischenfall mit den schwarzen Handschuhen vergingen zwei Wochen ohne besondere Vorkommnisse.
    In den ersten Tagen nach jener verwirrenden Szene in Bernsteins Delikatessengeschäft blieb Ginger Weiss sehr nervös, weil sie mit einem weiteren Anfall rechnete. Sie war ständig auf der Hut, achtete genau auf ihre physiologische und psychologische Verfassung, suchte nach kleinsten Symptomen einer ernsthaften Erkrankung, bemerkte aber nichts Besorgniserregendes.
    Sie litt weder unter Übelkeit noch unter Kopf-, Glieder- oder Muskelschmerzen. Allmählich wurde sie zuversichtlicher und gewann ihr gesundes Selbstvertrauen zurück, überzeugt davon, dass ihre wilde Flucht ausschließlich auf zuviel Stress zurückzuführen war und sich bestimmt nicht wiederholen würde.
    Sie hatte im >Memorial< mehr zu tun denn je. George Hannaby, der Leiter der Chirurgie -groß, kräftig, ein Bär von einem Mann, der langsam redete, langsam ging und den trügerischen Eindruck vermittelte, als sei er sehr faul -, bewältigte in Wirklichkeit ein umfangreiches Tagespensum, und obwohl Ginger nicht seine einzige Assistenzärztin war, so war sie doch die einzige, die in letzter Zeit ausschließlich mit ihm zusammenarbeitete. Sie assistierte bei vielen -sogar bei den meisten -seiner chirurgischen Eingriffe: Implantationen künstlicher Aortenstücke, Bypass-Operationen, Embolektomien, portokavale Shuntoperationen, Thorakotomien, Arteriographien, Einsetzung zeitweiliger und ständiger Schrittmacher usw.
    George beobachtete jede ihrer Bewegungen, ihm entging nicht der geringste Fehler, keine Unsicherheit, keine Ungeschicklichkeit. Obwohl er wie ein gutmütiger Bär aussah, war er ein strenger Lehrmeister und kannte keine Nachsicht in bezug auf Faulheit, Unfähigkeit oder Nachlässigkeit. Er konnte ätzend sarkastisch sein, und er brachte alle jungen Ärzte ins Schwitzen.
    Seine Kritik war mitunter vernichtend und glich in ihrer Wucht einer nuklearen Explosion.
    Einige Assistenzärzte hielten George für einen Tyrannen, aber Ginger genoss es, mit ihm zu arbeiten, gerade weil seine Ansprüche so hoch waren. Sie wusste, dass seine Kritik nur deshalb manchmal etwas zu scharf ausfiel, weil es schließlich um das Wohl der Patienten ging, und sie nahm seine Ausbrüche nie persönlich. Wenn Hannaby ihr schließlich seinen Segen mit auf den Weg geben würde ... nun, das würde fast soviel bedeuten, als wenn Gott selbst seine Anerkennung zum Ausdruck bringen würde.
    Am letzten Montag im November, dreizehn Tage nach ihrem seltsamen Anfall, assistierte Ginger bei einer dreifachen Bypass-Herzoperation an Johnny O'Day, einem dreiundfünfzigjährigen Bostoner Polizisten, den sein kardiovaskuläres Leiden zu vorzeitiger Pensionierung gezwungen hatte. Johnny war stämmig, hatte eine wilde Haarmähne und ein gutmütiges Gesicht mit fröhlichen blauen Augen; er war bescheiden und trotz seiner Krankheit stets zum Lachen aufgelegt. Ginger fühlte sich zu ihm besonders hingezogen, weil er sie irgendwie an ihren Vater erinnerte, obwohl er äußerlich keine Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Jacob Weiss hatte.
    Sie befürchtete, dass Johnny O'Day sterben könnte - und dass das zum Teil ihre Schuld sein würde.
    Es gab überhaupt keinen Grund für die Befürchtung, dass Johnny gefährdeter sein könnte als andere Herzpatienten; ganz im Gegenteil, das Risiko war bei ihm sogar geringer als bei vielen anderen. Er war zehn Jahre jünger als der durchschnittliche Patient bei einer Bypass-Operation und hatte deshalb größere Widerstandskräfte. Es gab auch keine zusätzlichen Komplikationen durch andere Leiden, wie etwa Venenentzündung oder übermäßig hohen Blutdruck. Seine Aussichten waren durchaus ermutigend.
    Aber allen vernünftigen Argumenten zum Trotz konnte Ginger ihre Ängste nicht abschütteln. Am Montagnachmittag, als die Operation immer näher rückte,

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