Schwarzer Mond: Roman
nur so wenig Respekt vor der Persönlichkeit eines anderen Menschen haben könnten. Nachdem sie jetzt wusste, dass sie manipuliert worden war, würde sie sich nie wieder ganz sicher fühlen können.
Der trockene Beifuss rauschte knisternd im Wind. Eisverkrustete Zweige schlugen aneinander, und dieses Geräusch ließ Faye seltsamerweise an umherhuschende Skelette kleiner Tiere denken, die vor langer Zeit gestorben, aber auf unerklärliche Weise wieder zum Leben erwacht waren.
Ins Motel zurückgekehrt, setzten sich Ernie, Sandy und Ned in der Wohnung der Blocks an den Küchentisch, während Faye Kaffee und heiße Schokolade machte.
Dom saß auf einem Hocker neben dem Wandtelefon. Auf der Ablage vor ihm lag das Melderegister des vorletzten Jahres. Es war auf der Seite des 6. Juli aufgeschlagen, und Dom begann jene Personen anzurufen, die ebenfalls Zeugen jenes bedeutsamen Ereignisses gewesen sein mussten.
Abgesehen von ihm selbst und von Ginger Weiss, standen acht Namen auf der Liste. Ein gewisser Gerald Salcoe aus Monterey in Kalifornien hatte zwei Zimmer gemietet -für sich, seine Frau und zwei Töchter. Er hatte eine Adresse eingetragen, aber keine Telefonnummer. Ein Anruf bei der Auskunft ergab, dass es in Monterey keinen Telefonanschluss unter diesem Namen gab.
Enttäuscht ging Dom zur zweiten Eintragung über. Das war Cal Sharkle, der Fernfahrer, der häufig im Motel übernachtete.
Sharkle wohnte in Evanston, Illinois, einem Vorort von Chicago.
Er hatte auch seine Telefonnummer angegeben. Dom wählte diese Nummer, musste aber feststellen, dass dieser Anschluss nicht mehr vorhanden war.
»Wir können in unserem letzten Register nachschauen, wann er zuletzt hier war«, sagte Ernie. »Vielleicht ist er in eine andere Stadt umgezogen und hat bei seiner letzten Übernachtung seine neue Adresse eingetragen.«
Faye stellte für Dom eine Tasse Kaffee auf die Ablage und setzte sich zu den anderen an den Tisch.
Bei seinem dritten Versuch hatte Dom endlich mehr Glück. Er wählte die Nummer von Alan Rykoff in Las Vegas, und eine Frau meldete sich.
»Mrs. Rykoff?« fragte Dom.
Sie zögerte etwas. »Ich war einmal Mrs. Rykoff. Seit meiner Scheidung heiße ich wieder Monatella.«
»Ich verstehe. Nun, Mrs. Monatella, mein Name ist Dominick Corvaisis. Ich rufe aus dem Tranquility Motel in Nevada an. Sie, Ihr früherer Ehemann und Ihre Tochter haben doch im vorletzten Sommer einige Tage hier verbracht?«
»Äh ... ja, das stimmt.«
»Haben Sie oder Ihre Tochter oder Ihr geschiedener Mann irgendwelche ... Schwierigkeiten - irgendwelche ungewöhnlichen erschreckenden Probleme?«
»Soll das ein geschmackloser Scherz sein?« fragte sie nach längerem Schweigen. »Sie wissen offenbar, was mit Alan passiert ist.«
»Bitte glauben Sie mir, Mrs. Monatella, ich weiß überhaupt nichts über Ihren Ex-Ehemann. Hingegen weiß ich, dass die Möglichkeit besteht, dass Sie oder er oder Ihre Tochter - oder auch Sie alle -unter unerklärlichen psychischen Problemen leiden, dass Sie schreckliche Alpträume haben, an die Sie sich nach dem Aufwachen nicht erinnern können - und dass manche dieser Alpträume etwas mit dem Mond zu tun haben.«
Sie atmete laut ins Telefon, und als sie zu sprechen versuchte, zitterte ihre Stimme.
Dom bemerkte, dass sie den Tränen nahe war, und er unterbrach ihr Stammeln. »Mrs. Monatella, ich weiß nicht, was Ihnen und Ihrer Familie zugestoßen ist, aber das Schlimmste liegt jetzt hinter Ihnen. Glauben Sie mir, das Schlimmste liegt hinter Ihnen. Denn was auch immer noch kommen mag -Sie sind zumindest nicht mehr allein!«
Knapp 4000 Kilometer östlich des Elko County, in Manhattan, verbrachte Jack Twist den Sonntagnachmittag damit, weiteres Geld zu verschenken.
Nach seiner Rückkehr von dem Überfall auf den Panzerwagen war er in der Nacht durch Manhattan gefahren und hatte Ausschau nach solchen Institutionen gehalten, die dringend Geld brauchten und förderungswürdig waren. Gegen fünf Uhr morgens hatte er endlich seine gesamte Beute verteilt. Am Rande eines physischen und psychischen Zusammenbruchs war er in seine Wohnung an der Fifth Avenue zurückgekehrt, ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen.
Er träumte wieder von dem leeren Highway in einer öden, mondbeschienenen Landschaft und von dem Fremden mit dem dunkel getönten Helmvisier, der ihn zu Fuß verfolgte. Als das Mondlicht plötzlich blutrot wurde, fuhr er in panischer Angst, wild um sich schlagend, aus dem Schlaf. Es war genau 13
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