Schwarzer Mond: Roman
nicht.
Haben Sie mich verstanden?«
»Ich ... ich habe alles verpfuscht. Ich habe ... habe Sie enttäuscht.«
Er lächelte. »Sie doch nicht, mein liebes Mädchen. Niemals.
Rita und ich haben nur Söhne, aber wenn wir eine Tochter gehabt hätten, hätten wir uns eine wie Sie gewünscht. Genau wie Sie. Sie sind eine ganz besondere Frau, Dr. Weiss, eine ganz besondere und eine sehr liebenswerte Frau. Sie und mich enttäuschen? Unmöglich. Es würde mir eine Ehre und eine große Freude sein, wenn Sie sich in der jetzigen Situation an mich anlehnen würden, so als wären sie wirklich meine Tochter. Lassen Sie sich von mir helfen, so als wenn ich der Vater wäre, den Sie verloren haben.« Er streckte ihr seine Hand entgegen.
Sie ergriff sie und klammerte sich förmlich daran fest.
Es war Montag, der 2. Dezember.
Viele Wochen sollten vergehen, bevor sie erfuhr, dass andere Menschen an anderen Orten -Menschen, die für sie Fremde waren -unheimliche Variationen ihres eigenen Alptraumes durchmachten.
2. Trenton, New Jersey
Einige Minuten vor Mitternacht öffnete Jack Twist die Tür und trat aus dem Warenlager in Wind und Graupelregen hinaus, und genau in diesem Augenblick stieg irgendein Kerl neben der nächstgelegenen Laderampe aus einem grauen Ford-Lieferwagen, dessen Eintreffen wegen des Ratterns eines vorbeifahrenden Güterzuges nicht zu hören gewesen war. Abgesehen von vier schmalen, trüb-gelben Lichtkegeln aus den schmutzstarrenden Sicherheitslampen herrschte um das Warenlager herum totale Dunkelheit. Unglückseligerweise war jedoch eine dieser Lampen genau über der Tür angebracht, aus der Jack getreten war, und der schwache Lichtschein reichte gerade bis zur Beifahrertür des Lieferwagens, aus dem der unerwartete Besucher aufgetaucht war.
Der Kerl hatte eine Visage, die für das Verbrecheralbum der Polizei wie geschaffen war: schwere Kiefer, schmallippiger Mund, grausame Schweinsäuglein und eine Nase, die mehrmals gebrochen war. Er war einer jener willfährigen, erbarmungslosen Sadisten, die von Verbrecherbanden gern für die Dreckarbeiten benutzt werden, ein Mann, den man sich ohne weiteres als Plünderer und Frauenschänder in den Armeen Dschingis Khans, als grinsenden Folterknecht im Naziregime oder in Stalins Todeslagern, als Morlock in Wells' Roman >The Time Machine< vorstellen konnte. Jack erkannte auf den ersten Blick, dass dieser Kerl gefährlich war.
Beide starrten einander zunächst völlig verdutzt an, und Jack versäumte es, sofort seine 38er zu ziehen und dem Bastard eine Kugel in den Kopf zu jagen, was wohl das Vernünftigste gewesen wäre.
»Wer zum Teufel sind denn Sie?« fragte der Morlock. Dann bemerkte er den Sack in Jacks linker und die Pistole in seiner rechten Hand. Seine Augenbrauen schossen in die Höhe, und er schrie: »Max!«
Max war vermutlich der Fahrer des Lieferwagens, aber Jack verzichtete darauf, sich diesbezüglich Gewissheit zu verschaffen.
Er zog sich rasch ins Warenlager zurück, schlug hinter sich die Tür zu und trat etwas zur Seite, für den Fall, dass es denen dort draußen einfallen sollte, die Tür mit Kugeln zu durchsieben.
Das einzige Licht im Innern des Warenlagers kam aus dem hellbeleuchteten Büro im hinteren Teil des Gebäudes und von einer Reihe schwacher Glühbirnen in Weißblechschirmen, die in großen Abständen an der Decke angebracht waren und die ganze Nacht hindurch brannten. Aber trotz dieser unzulänglichen Beleuchtung konnte Jack die Gesichter seiner beiden Kumpel -Mort Gersh und Tommy Sung - erkennen. Sie sahen bei weitem nicht mehr so glücklich aus wie noch vor wenigen Minuten.
Sie waren glücklich gewesen, weil sie einen wichtigen Umschlagplatz der Mafia erfolgreich beraubt hatten, eine Sammelstelle für Rauschgiftgelder aus dem halben Staat New Jersey.
Koffer, Reisetaschen und Schachteln voller Bargeld wurden von unzähligen >Kurieren< im Warenlager abgeliefert, hauptsächlich sonntags und montags. Dienstags kamen dann die Buchhalter der Verbrecherorganisation in ihren Anzügen von Pierre Cardin, um die wöchentlichen Einnahmen aus der Pharmazeutikbranche zu zählen. Jeden Mittwoch wurden Koffer voll dicht gebündelter Banknoten auf die Reise nach Miami, Las Vegas, Los Angeles, New York und in andere Zentren der Hochfinanz geschickt, wo Investmentberater mit Hochschulabschluss in Harvard oder Columbia, die mit der Mafia - oder >fratellanza<, wie die Organisation sich selbst gern bezeichnete - zusammenarbeiteten, diese Geldsummen
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