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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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reaktionsunfähigen Körper gefangen zu sein und vergeblich auf Ansprache zu warten, nur weil alle glaubten, sie könne nichts hören. Die Ärzte versicherten Jack zwar, dass seine Befürchtungen völlig grundlos waren; sie hörte nichts, sah nichts, wusste nichts, vielleicht abgesehen von irgendwelchen Bildern und Fantasien, die noch durch kurzgeschlossene Kanäle ihres zerstörten Gehirns huschen mochten. Aber wenn die Ärzte sich irrten - wenn auch nur eine Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million bestand, dass sie sich irren könnten -, so durfte er sie nicht jener schrecklichen totalen Isolation überlassen.
    Und deshalb sprach er zu ihr, während hinter dem Fenster der Wintertag seine Grautöne veränderte.
    Um Viertel nach fünf ging er ins angrenzende Bad und wusch sein Gesicht. Er trocknete sich ab und betrachtete sein Spiegelbild. Wie schon unzählige Male zuvor, so fragte er sich auch jetzt wieder, was Jenny jemals an ihm hatte finden können.
    Seine Gesichtszüge hatten nichts Anziehendes. Seine Stirn war zu breit, seine Ohren waren zu groß. Er schielte leicht auf dem linken Auge, und die meisten Leute wurden nervös, wenn sie sich mit ihm unterhielten, weil sie nicht wussten, welches von seinen Augen sie gerade ansah, obwohl es in Wirklichkeit beide waren. Wenn er lächelte, sah er wie ein Clown aus, und wenn er finster dreinblickte, sah er so bedrohlich aus, dass er sogar Jack the Ripper in die Flucht geschlagen hätte.
    Dennoch hatte Jenny etwas an ihm gefunden. Sie hatte ihn begehrt, gebraucht und geliebt. Trotz ihres eigenen guten Aussehens hatte sie nicht viel auf Äußerlichkeiten gegeben. Das war einer der Gründe, weshalb er sie so geliebt hatte. Einer der Gründe, weshalb er sie so vermisste. Einer von tausend Gründen.
    Er wandte seinen Blick vom Spiegel ab. Wenn es überhaupt noch möglich war, sich einsamer zu fühlen als er jetzt, so hoffte er bei Gott, dass ihm diese Erfahrung erspart bliebe.
    Er ging in Jennys Zimmer zurück, verabschiedete sich von seiner reaktionsunfähigen Frau, küsste sie, nahm noch einmal den Duft ihrer Haare wahr und verließ sie um halb sechs.
    Auf der Straße, am Steuer seines Camaros, betrachtete Jack angewidert die anderen Autofahrer und die Fußgänger. Seine Mitmenschen. Diese guten, freundlichen, netten, rechtschaffenen Staatsbürger würden ihn mit Geringschätzung oder gar Verachtung strafen, wenn sie wüssten, dass er ein professioneller Dieb war, obwohl erst das, was sie ihm und Jenny angetan hatten, ihn zum Verbrecher hatte werden lassen.
    Er wusste, dass Zorn und Verbitterung nichts änderten, nichts bewirkten und nur ihn selbst verletzten. Verbitterung war einÄtzmittel. Er wollte nicht verbittert sein, aber es gab Zeiten, da er nichts dagegen tun konnte.
    Später, nachdem er in einem chinesischen Restaurant zu Abend gegessen hatte, kehrte er in seine geräumige Wohnung in einem noblen Gebäude auf der Fifth Avenue, mit Blick auf den Central Park, zurück. Offiziell war diese Wohnung Eigentum einer in Liechtenstein ansässigen Aktiengesellschaft; der Scheck war von einem Schweizer Bankkonto abgebucht worden, und die monatlichen Raten für Strom und Nebenkosten wurden von einem Treuhandkonto der Bank of America bezahlt. Jack Twist lebte dort unter dem Namen >Philippe Delon<. Für die Pförtner und sonstigen Angestellten ebenso wie für die wenigen Nachbarn, mit denen er oberflächlichen Kontakt hatte, war er das etwas überspannte schwarze Schaf einer reichen französischen Familie, die ihn nach Amerika geschickt hatte, angeblich um Investmentmöglichkeiten auszukundschaften, in Wirklichkeit jedoch nur, um ihn loszuwerden. Er sprach fließend Französisch und konnte stundenlang Englisch mit überzeugendem französischem Akzent reden, so dass niemand sein Täuschungsmanöver durchschaute. Natürlich gab es keine französische Familie, die Aktiengesellschaft in Liechtenstein und das Schweizer Bankkonto gehörten ihm selbst, und investieren konnte er nur das, was er anderen gestohlen hatte. Er war kein gewöhnlicher Dieb.
    In seiner Wohnung begab er sich geradewegs zum Wandschrank im Schlafzimmer und entfernte die falsche hintere Trennwand. Er holte zwei Säcke aus dem etwa ein Meter breiten Versteck hervor und brachte sie ins dunkle Wohnzimmer, ohne Licht zu machen. Er legte die Säcke neben seinen Lieblingslehnstuhl, der an einem großen Fenster stand.
    Er holte eine Flasche >Becks< aus dem Kühlschrank, öffnete sie und kehrte ins Wohnzimmer

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