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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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trockenen Bachbettes, von Beifuss und Gras, von den vereinzelt aus der Erde ragenden Felsen.
    Er hatte das Gefühl, als riefe das Land ihm zu: »Hier, hier, hier findest du - zumindest teilweise - die Antwort auf dein Problem, die Erklärung für deine Angst vor der Dunkelheit. Hier. Hier...«
    Aber das war natürlich lächerlich.
    Zu seiner eigenen Überraschung fuhr er auf den Randstreifen des Highways, blieb einen halben Kilometer von zu Hause entfernt stehen, unweit der Ausfahrt auf die Landstraße, die am Motel vorbeiführte. Er starrte über den Highway hinweg nach Süden, auf die Stelle, die unerklärlicherweise eine solche Anziehungskraft auf ihn ausübte.
    Er wurde von dem überwältigenden Gefühl durchdrungen, dass etwas von ungeheurer Bedeutung mit ihm geschehen, dass er eine Art Epiphanie erleben würde. Ein Schauer überlief ihn.
    Ohne den Motor abzustellen, sprang er aus dem Lieferwagen.
    In fieberhafter Erregung, die ihm selbst unerklärlich war, strebte er auf die andere Seite des Highways zu, um jenes Stück, das ihn so faszinierte, besser sehen zu können. Er überquerte zwei Fahrstreifen und den sechs Meter breiten Grünstreifen, musste drei riesige Lastwagen vorüberdonnern lassen und lief in deren Fahrtwind über die Fahrbahn für den Verkehr in östlicher Richtung. Sein Herz hämmerte vor Aufregung, und im Augenblick hatte er die nahende Dunkelheit völlig vergessen.
    Am Rand des Highways blieb er stehen und blickte in südliche und leicht westliche Richtung. Er trug eine schwere Wildlederjacke mit Lammfellfutter, aber auf seinem Kopf boten die kurzgeschorenen grauen Haare wenig Schutz vor dem kalten Wind.
    Das Gefühl, dass ein Ereignis von ungeheurer Bedeutung bevorstand, verschwand, wurde abgelöst von der noch unheimlicheren Vorstellung, dass auf jenem Stück Land bereits etwas mit ihm geschehen war, etwas, das seine Angst vor der Dunkelheit erklärte. Etwas, das er aus seinem Gedächtnis gelöscht hatte.
    Aber das ergab überhaupt keinen Sinn. Wenn hier wichtige Ereignisse stattgefunden hätten, so würde er sich ohne jeden Zweifel daran erinnern. Er war nicht vergesslich. Und er gehörte auch nicht zu jenen Menschen, die unangenehme Erinnerungen verdrängten.
    Das Prickeln in seinem Nacken ließ jedoch nicht nach. Dort draußen auf den pfadlosen Ebenen Nevadas, gar nicht allzu weit von seinem Standort entfernt, war ihm etwas zugestoßen, das er vergessen hatte, das ihn nun aber aus seinem Unterbewusstsein heraus, wo es tief begraben war, stichelte wie eine in die Matratze geratene Nadel, die einen Schläfer aus dem Traum zu wecken vermag.
    Mit breit gespreizten Beinen, den massigen Kopf etwas vorgestreckt, schien Ernie die Landschaft herausfordern zu wollen, deutlicher zu ihm zu sprechen. Er bemühte sich verzweifelt, die tote Erinnerung an diesen Ort -falls es eine solche gab -zum Leben zu erwecken, aber je heftiger er sich anstrengte, desto mehr verflüchtigte sich die vage Vorstellung und verschwand schließlich völlig.
    Wie zuvor das Gefühl einer bevorstehenden Epiphanie, so löste sich nun auch das >Deja-vu-Erlebnis< in nichts auf. Sein Schädel und Nacken prickelten nicht mehr. Sein rasendes Herzklopfen ließ nach.
    Verwirrt und etwas schwindelig, betrachtete er die rasch verblassende Szenerie - das bewegte Land, die Grate und Spitzen der Felsen, den Beifuss und das Gras, die verwitterte Erde -, und jetzt konnte er sich gar nicht mehr vorstellen, dass ihm das alles soeben noch als etwas Besonderes vorgekommen war. Es war nichts weiter als ein Stück der Hochebenen, das sich in nichts von tausend anderen Stellen zwischen hier und Elko oder Battle Mountain unterschied.
    Bestürzt über den plötzlichen Absturz kurz vor dem Gipfel eines transzendenten Erlebnisses, blickte er zurück zu seinem Lieferwagen, der auf der Nordseite der Autobahn auf ihn wartete. Es kam ihm nun völlig närrisch und absurd vor, dass er in heller Aufregung hierher gerannt war. Er hoffte nur, dass Faye ihn nicht gesehen hatte. Wenn sie zufällig aus einem Fenster in diese Richtung geschaut hatte, konnte ihr sein lächerliches Benehmen nicht entgangen sein, denn das Motel war nur einen halben Kilometer entfernt, und das eingeschaltete Standlicht seines Wagens war in der rasch hereinbrechenden Dunkelheit sehr auffällig.
    Dunkelheit.
    Schlagartig fiel ihm die unmittelbare Nähe der Nacht ein. Eine Zeitlang war die mysteriöse magnetische Kraft, die ihn an diesen Ort gezogen hatte, stärker gewesen als seine

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