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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Aufprall um die eigene Achse gewirbelt und zu Boden geschleudert. Es fühlte sich an, als rammte mich ein extrem schneller Radfahrer. Ich rollte mich herum, um dem nächsten Angriff zu entgehen, und kam taumelnd auf die Füße, nur um festzustellen, dass die Bleiche Lady schon über alle Berge war. In jedem Vernehmungsraum gibt es neben der Tür einen Alarmknopf. Ich sprang über Purdy hinweg, warf mich in das Zimmer, wo wir Alexander Smith untergebracht hatten, und hieb auf den Knopf.
    Smith hing auf seinem Stuhl, den Kopf zurückgelegt, mit weit offenem Mund und einer Schusswunde in der Brust, mit genau den gleichen Brandspuren im Hemdstoff, wie ich sie schon an Stiernackens T-Shirt bemerkt hatte.
    Da steckte vorsichtig eine Uniformierte ihren Kopf durch die Tür und richtete ihren Taser auf mich. »Wer sind Sie?«
    »Peter Grant«, sagte ich. »Die Verdächtige ist weiblich, IC1, graue Trainingshose, rosa Kapuzenjacke.« Wenn ich es dabei beließ, würde der arme Kerl, der versuchte, sie zu stellen, in Stücke gerissen werden. »Psychopathin, sehr gefährlich, möglicherweise bewaffnet. Wahrscheinlich noch hier im Haus.«
    Die PC sah mich einen Augenblick lang perplex an, dann sagte sie: »Okay, klar.«
    »Haben Sie den Erste-Hilfe-Kurs gemacht?«, fragte ich.
    »Letzten Monat.«
    »Gut, dann geben Sie mir den Taser und kümmern Sie sich um Purdy.«
    Der Taser war aus Plastik, schwer und sah aus wie ein Utensil aus
Doctor Who
. Selbst in dem Schockzustand, in dem sie sich befand, war ihr klar, dass Smith tot war, also eilte sie davon, um den Erste-Hilfe-Kasten für Purdy zu holen.
    Ich trat wieder über Purdy hinweg und beugte mich über ihn, um zu prüfen, ob er noch lebte. »Gleich kommt Hilfe«, sagte ich. »Was zum Teufel haben Sie hier gemacht?«
    Sein Gesicht war kalkweiß und von kaltem Schweiß bedeckt, aber er gab etwas wie ein Lachen von sich. »Die haben hier die bessere Kantine.«
    Ich riet ihm, es nicht zu tragisch zu nehmen, und rannte zur Treppe.
    Die Sache mit der Polizeigewalt ist die, dass man sie normalerweise auf der Straße ausübt und nicht in einer Polizeistation. An einem gewöhnlichen Werktag arbeiten auf einem Revier ungefähr dreimal so viele Zivilangestellte wie Beamte mit Polizeiausbildung. Das bedeutet, dass im Krisenfall die Polizisten erst zurückbeordert werdenmüssen. Und das dauert. So unfein sich die Bleiche Lady benommen hatte, dumm war sie sicher nicht. Das hieß, sie würde sich so schnell wie möglich nach draußen verkrümeln, bevor die Einsatzkräfte hereinströmten.
    Seit es in den siebziger Jahren mit den IR A-Bomben anschlägen losging, hat man bei der Londoner Polizei eine sehr genaue Definition dessen entwickelt, was drinnen und was draußen ist, und die beiden Bereiche durch größere Mengen von kugelsicherem Plexiglas voneinander getrennt. West End Central machte da keine Ausnahme. Aber da zum Eingangsbereich auch eine marmorne Außentreppe gehörte, die erkennbar ohne jede Rücksichtnahme auf Rollstuhlfahrer gebaut wurde, hatte man links davon ebenerdig eine zweite Tür durch die Fassade gebrochen, durch die man bequem geradewegs zum Aufzug rollen konnte. Die Planer hatten sich dabei durchaus nicht dumm angestellt   – die Tür war sehr massiv und mit einer Überwachungskamera versehen, durch die der diensthabende Sergeant am Empfang jeden genau überprüfen konnte, bevor er ihn per Summer rein- oder rausließ. Sie hätte ihren Zweck tadellos erfüllt, hätte nicht genau in diesem Moment ein junger Detective Constable, beide Arme voller Schachteln vom chinesischen Imbiss, die Behindertentür als praktische Abkürzung zu den Büros der Kriminalabteilung betrachtet.
    Die Bleiche Lady mähte ihn um, als er halb durch die Tür war. Als ich die Treppe herunterkam, sah ich ihn zu Boden gehen, und etwas Rotes spritzte nach allen Seiten, das sich als süßsaure Soße entpuppte.
    »Die Kollegen alarmieren«, rief ich ihm zu, während ich über ihn hinweg in den strömenden Regen sprang.
    Ich sah sie in die Savile Row abbiegen und mitten über die Fahrbahn stürmen. Ein silberner Mercedes SL 500 wich ihr aus, rammte einen geparkten Porsche Carrera in die Seite und löste auf der ganzen Straßenseite ein Konzert von Autoalarmanlagen aus. Ich hetzte ihr nach und setzte alles daran, den Abstand zu verringern   – soweit ich wusste, war ich der einzige Beamte, der sie im Blick hatte. Es war Samstagabend im West End, und trotz des Wetters wimmelte es von Menschen. Wenn ich

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