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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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and Soul
hab ich zum ersten Mal im Flamingo Club gehört«, erzählte Dad. »Gespielt von Ronnie Scott, als er gerade dabei war, zu Ronnie Scott zu werden. Damals war der Flamingo Club
das
In-Lokal der schwarzen Flieger aus Lakenheath und den anderen U S-Luftstützpunkten . Die wollten unsere Frauen«, sagte er. »Und wir ihre Platten. Sie hattenimmer das Neueste vom Neuesten da. Wir haben uns perfekt ergänzt.«
    Mum kam mit dem Abendessen. Bei uns wurde schon immer zweigleisig gekocht, einmal für Mum und einmal deutlich weniger scharf für Dad. Außerdem isst er lieber Weißbrot mit Margarine als Reis dazu, was geradezu nach einem Herzinfarkt schreien würde, wenn er nicht so spindeldürr wäre. Ich nahm mir immer aus beiden Töpfen und mochte Reis
und
Weißbrot, das erklärt zweifellos meine männlich-edlen Gesichtszüge und meine stattliche Erscheinung.
    Bei Mum gab es heute Maniokblätter, Dad bekam Schmortopf mit Lamm. Ausnahmsweise nahm ich nur Lamm; Maniok mag ich einfach nicht, vor allem nicht, weil Mum es immer in Palmöl ertränkt. Außerdem verwendet sie so viel Cayennepfeffer, dass ihre Suppe ein rotes Neonleuchten abstrahlt und ich nur auf den Moment warte, in dem einmal ein Gast Opfer einer spontanen Selbstentzündung wird. Wir aßen an dem großen Glas-Couchtisch im Wohnzimmer. In die Mitte stellte Mum eine große Plastikflasche Highland Spring, und wir bekamen rosa Papierservietten und einzeln in Zellophan verpackte Grissini, die Mum bei ihrem neuesten Reinigungsjob hatte mitgehen lassen. Ich schmierte Dad ein paar Margarinebrote.
    Beim Essen merkte ich, dass Mum mich beobachtete. »Was ist?«, wollte ich wissen.
    »Warum kannst du nicht so spielen wie dein Vater?«, fragte sie.
    »Weil ich singen kann wie meine Mutter«, gab ich zurück. »Aber zum Glück kann ich kochen wie Jamie Oliver.«
    Sie gab mir einen Klaps auf den Schenkel. »Du bist nicht zu groß, dass ich dir nicht eine runterhauen könnte.«
    »Ja, aber ich bin viel schneller als früher«, sagte ich.
    Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal mit Mum und Dad gegessen hatte, zumindest nicht, ohne dass ein halbes Dutzend zusätzlicher Verwandter dabei gewesen wäre. Ich bin nicht einmal sicher, ob das in meiner Kindheit jemals vorgekommen ist. Immer war eine Tante, ein Onkel oder eine garstige legoklauende jüngere Cousine (nein, ich bin nicht nachtragend) im Haus.
    Als ich das erwähnte, wies mich meine Mum darauf hin, dass besagte legoklauende Cousine gerade angefangen hatte, in Sussex Maschinenbau zu studieren. Bitte sehr, dachte ich, soll sie doch dort Lego klauen, so viel sie will. Ich meinerseits wies darauf hin, dass ich jetzt ein amtlich vereidigter Police Constable war und für eine geheime Abteilung der Metropolitan Police arbeitete.
    »Und was machst du dort?«, fragte sie.
    »Das ist geheim, Mum. Wenn ich es dir sagen würde, müsste ich dich töten.«
    »Er betreibt Zauberei«, warf mein Dad ein.
    »Man soll keine Geheimnisse vor seiner Mutter haben«, sagte sie.
    »Du glaubst doch nicht an Magie, oder, Mum?«
    »Über so was macht man keine Witze. Die Wissenschaft hat nicht auf alles eine Antwort, weißt du.«
    »Aber sie hat die besten Fragen«, gab ich zurück.
    Plötzlich wurde sie ernst. »Du beschäftigst dich nicht tatsächlich mit Hexerei, oder? Ich mach mir schon genug Sorgen um dich.«
    »Ich versichere dir, dass ich nicht dabei bin, mich mit irgendwelchen bösen Geistern oder anderen übernatürlichen Wesen einzulassen«, sagte ich. Was unter anderem daran lag, dass das übernatürliche Wesen, mit dem ich mich am liebsten eingelassen hätte, derzeit flussaufwärts am Hof von Vater Themse im Exil lebte. Es war eine dieser tragischen Beziehungen: Ich ein Jungpolizist, sie die Göttin eines Vorstadtflusses im Süden von London   – hoffnungslos.
    Nach dem Essen meldete ich mich freiwillig zum Abwasch. Während ich mit Hilfe einer halben Flasche Spülmittel das Palmöl vom Geschirr schrubbte, hörte ich, wie meine Eltern sich im Nebenzimmer unterhielten. Der Fernseher war immer noch aus, und meine Mum hatte seit drei Stunden mit niemandem telefoniert   – langsam wurde es mir ein bisschen unheimlich. Als ich fertig war und ins Wohnzimmer kam, saßen sie nebeneinander auf dem Sofa und hielten Händchen. Ich fragte, ob sie noch einen Tee wollten, aber sie lehnten ab und lächelten dabei beide auf genau die gleiche seltsame, leicht entrückte Art. Auf einmal durchzuckte mich die Erkenntnis, dass sie

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