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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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heißt es, die Wände seien einst in hellem Pastellbraun gestrichen gewesen, aber davon war jetzt nichts mehr sichtbar. Jeder Zoll war von Dads Regalen erobert worden, Kiefer natur mit Metallrahmen. Sie waren dicht an dicht mit hochkant gestellten Schallplatten bestückt, sorgfältig außer Reichweite jedes Sonnenstrahls. Nachdem ich zu Hause ausgezogen war, war der ausladende Kleiderschrank meiner Mum, Marke British Home Store, gemeinsam mit dem größten Teil ihrer Schuhsammlung in mein altes Zimmer hinübergewandert. So bot das Schlafzimmer jetzt immerhin noch genug Platz für ein schmales Doppelbett, ein breites Keyboard und die Stereoanlage meines Vaters.
    Ich erklärte ihm, wonach ich suchte, und er fing gleich an, Platten herauszuziehen. Wie ich geahnt hatte, begannen wir mit Coleman Hawkins’ berühmter Aufnahme von 1938 für Bluebird Records. Das war natürlich Zeitverschwendung, denn Hawkins kommt nie auch nur in die Nähe der eigentlichen Melodie. Aber ich ließ meinen Dad erst das Stück genießen, bevor ich darauf hinwies.
    »Es war eher alte Schule, Dad. Die Version, die ich gehört habe. Mit richtiger Melodie und allem.«
    Dad brummte etwas und ging einen Pappkarton voller alter Schellackplatten durch. Schließlich zog er eine braune, an drei Seiten mit Klebeband geflickte Hülle mit schwarz-goldenem
Victor
-Aufdruck heraus, in der eineAufnahme des Benny-Goodman-Trios steckte. Der Garrard-Plattenspieler meines Dad besitzt eine 78er-Einstellung, aber man muss den Tonabnehmer wechseln   – mit großer Sorgfalt baute ich unter Dads wachsamem Blick den Ortofon aus und sah mich nach dem Stanton um. Er lag noch genau am gleichen Platz wie früher, auf dem Regalbrett hinter der Stereoanlage, mit der Unterseite nach oben, um die Nadel zu schützen. Während ich ihn mit Hilfe des winzigen Schraubenziehers auf den Arm schraubte, zog Dad vorsichtig die Platte heraus und inspizierte sie glücklich lächelnd. Dann reichte er sie mir. Sie war, wie alle Schellackplatten, überraschend schwer, viel schwerer als eine LP.   Wer von Kindesbeinen an nur CDs gewohnt ist, könnte sie vermutlich nicht mal anheben. Ich nahm sie vorsichtig entgegen, die Außenkante zwischen den Handflächen, und legte die Platte sorgfältig auf die Drehscheibe.
    Kaum senkte sich die Nadel in die Rille, fing es an zu zischen und zu knacken, und darüber hörte man Goodmans Klarinetten-Intro. Dann hatte Teddy Wilson sein Klaviersolo, dann kam wieder Benny mit der Klarinette. Glücklicherweise hielt sich Krupa am Schlagzeug zurück. Das hier kam der Version, die der selige Mr.   Wilkinson von sich gegeben hatte, schon viel näher.
    »Aber ich glaube, es muss eine spätere Version sein«, sagte ich.
    »Das ist nicht schwer«, meinte Dad. »Diese Aufnahme wurde fünf Jahre nach Entstehung des Stücks gemacht.«
    Wir nahmen uns noch ein paar 78er vor, einschließlich einer von 1940 mit Billie Holiday, die wir nur deshalb auflegten, weil Lady Day eine der wenigen Vorlieben ist, die Dad und ich wirklich gemeinsam haben. Die Aufnahmewar wunderschön und traurig, und das brachte mich darauf, was noch fehlte.
    »Es war fröhlicher«, sagte ich. »Es war eine größere Combo, und es hatte mehr Swing.«
    »Swing?«, wunderte sich Dad. »Wir reden hier über
Body and Soul
– das ist kein Swingstück.«
    »Komm schon, Dad, irgendwer muss doch mal eine swingendere Version davon gespielt haben   – und sei es nur für die Weißen.«
    »Halt dich zurück, freche Kröte. Aber ja, ich glaube, ich hab eine Ahnung, was du suchst.« Er zog aus seiner Jackentasche ein kleines rechteckiges Objekt aus Plastik und Glas.
    »Du hast ein iPhone«, sagte ich fassungslos.
    »Einen iPod Touch«, berichtigte er. »Hat gar keinen so schlechten Klang.« Und das von einem Mann, der einen fünfzig Jahre alten Quad-Röhrenverstärker besitzt, weil der besser ist als Transistoren. Er gab mir die Ohrstöpsel und ließ den Finger über das Display fliegen, als hätte er sein Leben lang mit Touchscreens gearbeitet. »Hör’s dir an.«
    Und da war es, digital bearbeitet, aber mit genug Zischen und Knacken, um die Puristen zu befriedigen.
Body and Soul
, mit klarer Melodie und gerade so viel Swing, dass man darauf tanzen konnte. Falls es nicht dieselbe Version war, die ich an dem Toten gehört hatte, dann in jedem Fall dieselbe Band.
    »Wer ist das?«
    »Ken Johnson«, sagte Dad. »Der alte Snakehips persönlich. Das ist auf
Blitzkrieg Babies and Bands
drauf   – nette

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