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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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so viele Prominente in verschiedenen Stadien der Drogensucht ein und aus, dass auf dem Bürgersteig gegenüber eine hübsche ökologische Nischenpopulation von Paparazzi entstanden war. Das erklärte, warum Stephanopoulos die Straße so weiträumig abgeriegelt hatte. Ich konnte mir vorstellen, wie beleidigt die Knipser jetzt vor sich hinbrüteten.
    »Sie denken an St. John Giles?«, fragte ich.
    »Der Modus Operandi ist recht eindeutig«, sagte Stephanopoulos.
    St. John Giles war ein mutmaßlicher Samstagabendverführer und -vergewaltiger, dessen Karriere ein abruptesEnde genommen hatte, als vor ein paar Monaten eine Frau oder jedenfalls etwas, das aussah wie eine Frau, ihm in einem Club den Penis abgebissen hatte   – mit ihrer Vagina. Man nennt es
Vagina dentata
, und es gab nie einen medizinisch belegten Fall. Das weiß ich, weil Dr.   Walid und ich bis zurück ins siebzehnte Jahrhundert nach einem gesucht haben.
    »Sind Sie im Fall Giles schon weitergekommen?«, fragte Stephanopoulos.
    »Nein«, gab ich zu. »Wir haben die Beschreibung, die uns das Opfer und sein Freund gegeben haben, und eine unscharfe Aufnahme einer Überwachungskamera, das war’s.«
    »Wir können zumindest eine vergleichende Opferanalyse anstellen. Rufen Sie in Belgravia an, lassen Sie sich die Fallnummer geben und übertragen Sie Ihre EPs in unsere Ermittlung.«
    Eine EP oder »erfasste Person« ist jemand, der bei der Ermittlung in irgendeiner Weise die Aufmerksamkeit der Polizei erregt hat und in das umfassende Datensystem HOLMES eingegeben wurde. Zeugenaussagen, Ergebnisse der Spurensicherung, Verhörnotizen der Ermittler, selbst die Aufnahmen von Überwachungskameras   – all das wird in die computerisierten Recherchemühlen gefüttert. Die erste Version des Systems wurde nach den katastrophal schiefgelaufenen Ermittlungen im Fall des Yorkshire Ripper entwickelt. Der Ripper, Peter Sutcliffe, war schon mehrere Male vernommen worden, bevor er dann rein zufällig bei einer Verkehrskontrolle geschnappt wurde. Die Polizei kann damit leben, als korrupt, brutal oder autoritär zu gelten, aber dumm auszusehen ist unverzeihlich.Das nämlich zerstört tendenziell das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Gesetzeshüter und ist der öffentlichen Ordnung äußerst abträglich. Da damals keine geeigneten Sündenböcke zu finden waren, musste die Polizei sich notgedrungen daran machen, ihren Apparat, der sich bis dahin rühmte, aus unfähigen Amateuren zu bestehen, zu professionalisieren. HOLMES war ein Bestandteil dieses Prozesses.
    Damit all die Daten überhaupt von irgendeinem Nutzen waren, mussten sie im richtigen Format eingegeben werden, wobei alle relevanten Details hervorgehoben und zusätzlich in ein Verzeichnis aufgenommen werden mussten. Es versteht sich von selbst, dass ich damit im Fall St. John Giles noch nicht mal angefangen hatte. Ich war in Versuchung zu erwähnen, dass ich für eine Zwei-Mann-Einheit arbeitete, von denen der eine gerade erst kürzlich begriffen hatte, was Kabelfernsehen war, aber das war Stephanopoulos ja nicht neu.
    »Ja, Boss«, sagte ich. »Wie heißt das Opfer?«
    »Jason Dunlop. Clubmitglied, freier Journalist. Hatte für heute Nacht oben ein Zimmer reserviert. Er wurde zuletzt gesehen, als er kurz nach zwölf hier runter zum Lokus ging. Kurz nach drei hat ihn die Putzfrau gefunden.«
    »Todeszeitpunkt?«
    »Zwischen Viertel vor eins und halb zwei, plus/minus der übliche Fehlerspielraum.«
    Bis der Pathologe ihn aufschnitt, würde der Fehlerspielraum in beide Richtungen bei etwa einer Stunde liegen.
    »Fällt Ihnen was
Besonderes
auf?«, wollte sie wissen.
    Ich musste nicht nachfragen, was sie meinte. Ich seufzte. Mein Bedürfnis, ihm noch einmal nahe zu kommen, hieltsich in Grenzen, aber ich ging in die Hocke und nutzte die Gelegenheit, um mir sein Gesicht näher anzuschauen. Seine Gesichtszüge waren erschlafft, aber der Mund wurde von dem Umstand, dass das Kinn auf der Brust ruhte, geschlossen gehalten. Der Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, und ich fragte mich, wie lange er mit in die Lenden gekrallten Händen dagesessen hatte, bevor er starb. Zuerst nahm ich kein
Vestigium
wahr, aber dann spürte ich ganz schwach, im Bereich von vielleicht hundert Milliwuff, ein Echo von Portwein, Melasse und brennenden Kerzen.
    »Und?«, drängte sie.
    »Nicht wirklich«, sagte ich. »Falls er von Magie angegriffen wurde, dann nicht direkt.«
    »Müssen Sie das unbedingt so nennen? Bezeichnen wir es

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