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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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man in den Apfel steckte. Bei den meisten Lehrlingen seien es wenige Minuten bis eine halbe Stunde. Diese präzise Aussage demonstrierte mal wieder hervorragend die Nightingale’sche Einstellung zur Empirie. Ich hingegen war diesmal vorbereitet. Ich hatte eine Stoppuhr dabei   – eine antike mit Mechanik und einem Zifferblattso groß wie meine Handfläche   –, mein Notizbuch und die ausgedruckte Vernehmung von Colin Sandbrow aus der
Vagina-dentata -Falldatei
. Als Nightingale sich nach vollbrachter Apfelzerschlagung wieder nach oben verzog, drückte ich auf die Stoppuhr, setzte mich an einen Labortisch und fing an zu lesen.
    Colin Sandbrow, einundzwanzig Jahre alt, war an jenem Abend von Ilford nach London gekommen, um Spaß zu haben. Hatte eine Frau getroffen, von der er dachte, sie gehörte der Gothic-Szene an. Sie redete nicht viel, schien aber einem bisschen Freiluftgymnastik nicht abgeneigt zu sein. Vom Aussehen her war Sandbrow zwar jung und sportlich, aber sein Gesicht war irgendwie farblos-nichtssagend, als hätte sein Schöpfer ihn noch rasch kurz vor Feierabend gemacht, um sein Soll zu erfüllen. Das erklärte vermutlich, warum Sandbrow die Gelegenheit sofort beim Schopf gepackt hatte.
    »Fanden Sie es nicht verdächtig, dass sie einen so willigen Eindruck machte?«, hatte Stephanopoulos gefragt.
    Sandbrow hatte angedeutet, dass er geneigt gewesen war, es als Geschenk des Schicksals zu werten, sich jedoch jetzt vorgenommen hatte, das andere Geschlecht in Zukunft mit mehr Vorsicht zu genießen.
    Sechzehn Minuten und vierunddreißig Sekunden, nachdem ich den Zauber gesprochen hatte, fing es an, Apfelmus zu regnen. Ich legte die Vernehmung weg und notierte mir das. Ich hatte vorher Plastiktüten druntergelegt, daher musste ich zum Glück nicht viel aufwischen. Sowohl meine Zauberbücher als auch Nightingale sparten sehr mit konkreten Aussagen, woher die Kraft, die die Äpfel in der Luft hielt, eigentlich kam. Wurde siedie ganze Zeit aus meinem Kopf gesaugt? Wenn ja, wie viele konnte ich gleichzeitig oben halten, ohne dass mein Gehirn einschrumpelte? Und falls sie nicht aus mir kam, woher dann? Ich bin da altmodisch   – ich glaube fest an die Gesetze der Thermodynamik.
    Ich las den Rest der Vernehmung durch, stieg ins Erdgeschoss hinauf und eilte schnurstracks zur Remise und dem Komfort des einundzwanzigsten Jahrhunderts   – Breitbildfernseher, Internetanschluss und HOLMES.   Und ertappte dort Nightingale, der es sich mit einer Dose nigerianischem Star-Bier in der Hand auf dem Sofa vor einer Rugbyübertragung bequem gemacht hatte. Er sah etwas verlegen aus und sagte: »Ich dachte, Sie hätten sicher nichts dagegen. In der Ecke stehen noch zwei Kisten von diesem Zeug.«
    »Die passten nicht mehr rein, als ich Mama Themses Wohlwollen mit einem Schwerlaster voll Alkoholika erkauft habe.«
    »Das erklärt einiges.« Er winkte mit der Dose. »Sagen Sie Molly nichts von dem Bier. Sie tendiert gerade dazu, ein wenig zu glucken.«
    Ich versprach, dass sein Geheimnis bei mir sicher sein würde. »Wer spielt?«
    »Harlequins gegen Wasps.«
    Ich ließ ihn weiterschauen. Ein bisschen Fußball oder einen ordentlichen Boxkampf schaue ich mir ganz gerne an, aber anders als meine Mum, die von allem fasziniert ist, wo ein Ball dabei ist (sogar Golf), konnte ich Rugby noch nie viel abgewinnen. Also setzte ich mich an meinen Schreibtisch, fuhr den Laptop hoch, den ich als HOLME S-Terminal benutze, und vertiefte mich wieder in den Fall.
    Stephanopoulos’ Leute waren sehr gründlich. Sie hatten Sandbrows sämtliche Freunde sowie alle zufälligen Gäste befragt, deren sie habhaft werden konnten. Die Türsteher des Clubs beharrten felsenfest darauf, dass sie die Verdächtige nicht hatten hereinkommen sehen, obwohl die Auswertung der Überwachungskamera deutlich zeigte, wie sie geradewegs an ihnen vorbeimarschierte. Die ganze Attacke erinnerte mich eher an den Vorfall mit St. John Giles im Sommer als an den Mord an Jason Dunlop   – ich wollte gerade eine dahingehende Notiz eingeben, da sah ich, dass es Stephanopoulos auch schon aufgefallen war.
    Ich fragte mich, wie es Lesley ging. Sie hatte keine meiner SMS oder Mails beantwortet, deshalb rief ich bei ihr zu Hause an. Eine ihrer Schwestern war am Apparat.
    »Sie ist in London«, erklärte sie. »Hat einen Termin bei ihrem Spezialisten.«
    »Das hat sie mir gar nicht gesagt.«
    »Wundert mich nicht«, sagte die Schwester.
    »Kannst du mir sagen, in welchem

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