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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Rettungswagen für den Rest meiner Laufbahn mit mir herumschleppen.
    Ich ließ Stephanopoulos weiter ihren Tatort terrorisieren und nahm die Abkürzung über den St. Anne’s Court und die D’Arblay Street zur Berwick Street. Da ich am Abend zuvor nicht richtig aufgepasst hatte, musste ich mich erst orientieren, bevor ich die Tür wiederfand, die zwischen einer Apotheke und einem auf Vinyl spezialisierten Musikladen eingezwängt war. Der schwarze Anstrich der Tür blätterte ab, und die Namensschilder an der Sprechanlage waren entweder unleserlich oder fehlten ganz. Egal, ich wusste ja, dass sie ganz oben wohnte.
    »Du Schuft, was willst du schon?«, schnarrte die Sprechanlage. »Ich bin noch nicht fertig.«
    »Ich kann auch noch eine Runde um den Block drehen.«
    Das Schloss summte, und ich drückte die Tür auf. Im Tageslicht sah die Treppe auch nicht besser aus; der Teppich war hellblau und an einigen Stellen ganz durchgescheuert, und die Wände hatten Flecken von den Händen der Leute, die sich daran abgestützt hatten. Auf jeder Etage gab es überstrichene Türen, die in einer Gegend wie Soho überallhin führen konnten   – von drakonischer Disziplin zu erschwinglichen Preisen bis hin zu einer T V-Produktionsgesellschaft . Ich zwang mich, meine Schritte zu zügeln, damit ich nicht völlig außer Atem oben ankam.
    Als Simone meine Uniform sah, trat sie einen Schritt zurück und klatschte in die Hände. »Ach, wie herrlich, ein Strip-o-gramm.«
    Ihre Putzmontur bestand aus einer grauen Jogginghose und einem marineblauen Sweatshirt, das aussah, als hätte sie es unten mit der Nagelschere abgeschnitten. Ihre Haare hatte sie auf eine irgendwie typisch englische Art, die ich nie außerhalb der Serie
Coronation Street
gesehen hatte, in ein Kopftuch gehüllt. Ich schloss sie in die Arme. Sie roch nach Schweiß und Domestos. Ich hätte sie einfach auf den Fußboden geworfen, aber sie wandte leicht kurzatmig ein, die Tür stehe doch noch offen. Wir lösten uns lange genug voneinander, um die Tür zu schließen und zum Bett zu stolpern. Es war ein breites Doppelbett, und wir gaben uns Mühe, jeden Zentimeter davon zu nutzen. Irgendwann war meine Uniform weg, und was mit ihrem Sweatshirt passierte, fanden wir nie heraus   – das Kopftuch behielt sie aber auf meine Bitte hin an.
    Über eine Stunde später fand ich Gelegenheit, die Wohnung genauer in Augenschein zu nehmen. Das Bett nahm eine ganze Ecke des Zimmers ein und war abgesehen von einem Lederpolstersessel die einzige Sitzgelegenheit. Ansonsten bestand die Möblierung aus einem Trio nicht zusammenpassender Kleiderschränke nebeneinander an einer Wand und einer massiven Eichenkommode, die so riesig war, dass man sie mit einem Kran durchs Fenster hereinbefördert haben musste, etwas anderes erschien mir unmöglich. Ich entdeckte weder einen Fernseher noch eine Stereoanlage, allerdings konnte durchaus ein kleiner MP 3-Player unter den Kleiderverwehungen, die sich durchs Zimmer zogen, begraben sein. Da ich ein Einzelkindbin, habe ich nie mit mehr als einer Frau auf einmal zusammenleben müssen und war überhaupt nicht auf die schieren Massen an Kleidung vorbereitet, die von drei zusammenlebenden Schwestern angesammelt werden können. Insbesondere die Schuhe machten sich überall im Raum breit: dicht geschlossene Reihen schwarzer, in meinen Augen identisch aussehender High-Heel-Riemchensandaletten, Knäuel von Sandalen, wahllos in irgendeine Ecke geschoben, und in die Zwischenräume zwischen den Schränken waren Pumps gestopft. An der Wand hingen Stiefelpaare aller Art wie Schwerter in einer Burg.
    Als Simone sah, wie ich ein Paar Fetischstiefel mit Zehn-Zentimeter-Pfennigabsätzen musterte, wollte sie sich aus meinen Armen winden. »Soll ich sie anziehen?«
    Ich zog sie zurück an meine Brust und küsste sie auf den Hals   – ich wollte nicht, dass sie irgendwohin ging. Sie drehte sich zu mir um, und wir küssten uns, bis sie sagte, sie müsse mal für kleine Mädchen. Wenn deine Geliebte aufgestanden ist, kannst du das genauso gut auch tun, und so zwängte ich mich nach ihr ins Badezimmer, ein winziges Kabuff, in dem gerade genug Platz für eine überraschend moderne Massagedusche, eine Toilette und ein kleines seltsam geformtes Waschbecken war, das offenbar extra für solche Badezimmerengpässe entworfen war. Während ich hier verweilte, gewannen meine Polizisteninstinkte die Oberhand, und ich durchwühlte rasch ihren Medizinschrank. Simone und ihre Schwestern

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